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In meinem letzten Blog-Beitrag warf ich einen Blick auf die Social-Media-Plattform der Stunde – TikTok – und stellte mir die Frage, ob man „das braucht“. Meine unspektakuläre Erkenntnis: Wenn man Lust darauf hat. Auch dieses Mal soll es um die Boom-App aus China gehen, jedoch unter etwas anderen Vorzeichen. Während vor einigen Wochen noch die Perspektive der User meine Gedanken leitete, soll heute der PR-Blickwinkel im Fokus stehen. Konkret lautet also die Fragestellung: „Lässt sich TikTok sinnvoll für die Unternehmenskommunikation beziehungsweise die Öffentlichkeitsarbeit verwenden?“  

Jung und trendy

Zuerst muss wohl genau geklärt werden, wer da mit wem kommunizieren möchte und welche Inhalte dabei vermittelt werden sollen. Beginnen wir auf Seite der Adressaten, des Publikums, wenn man so will. Dieses ist, wie wir uns erinnern, sehr jung. Für hippe Trendmarken ist das ein Plus (Mode, Unterhaltungselektronik oder Erfrischungsgetränke kommen in den Sinn). Der etwas spießige Mittelstandsbetrieb hat es hingegen schwerer, hier potentielle Kunden zu finden. Ich möchte keinesfalls ausschließen, dass es auch Sechzehnjährige gibt, die Interesse an hochwertigen Badezimmerfliesen, Küchenutensilien oder ähnlichem haben – es dürfte sich jedoch eher um die Ausnahme handeln.   Das Alter der Zielgruppe führt dann auch direkt zum nächsten Problem. Da Jugendliche und junge Erwachsene in der Regel keine Entscheider in Unternehmen sind, ist B2B-Kommunikation über TikTok praktisch ausgeschlossen. Hier erreicht man jede Menge Konsumenten – aber kaum Profis. Sicher, der ein oder andere Startup-Gründer oder Silicon-Valley-CEO mag sich auch auf der Plattform tummeln, ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass so jemand seine Business-Entscheidungen aufgrund eines 30 Sekunden langen Videos trifft. Als Mitarbeiter einer ausgewiesenen B2B-Agentur ist dieser Umstand natürlich sehr ernüchternd. Für Kollegen aus dem B2C-Bereich, die Unternehmen aus zielgruppengerechten Branchen vertreten, bietet sich jedoch eine neue Kommunikationswelt voller Möglichkeiten.  

Authentisch und lustig

Man stelle sich etwa vor, ein hypothetischer Sportbekleidungshersteller mit markantem Logo aus Mittelfranken möchte seinen neuen, in Kooperation mit einem amerikanischen Hip-Hop-Musiker entworfenen, Sportschuh unters Volk bringen. Hier spielt TikTok seine Stärken aus. Schnell eine Challenge mit eingängigem Hashtag ins Leben gerufen, bei der die Schuhe im Fokus stehen und in kürzester Zeit weiß jeder Teenager von Tokyo bis Los Angeles, was man jetzt an den Füßen zu tragen hat, um cool zu sein. Das klingt jetzt sicher einfacher als es in Wirklichkeit ist – nicht jede Marketingkampagne geht viral, selbst wenn sie von einem internationalen Riesenkonzern angeleiert wird. Nichtsdestotrotz ist das Potential, mit relativ geringem Aufwand ein gigantisches Publikum zu erreichen, enorm. Entscheidend für den Erfolg ist hierbei sicherlich, ein hohes Maß an Authentizität und Humor (besonders in Form von Selbstironie). Nur wer auf glaubwürdige Weise den eigenwilligen Content produzieren kann, der auf TikTok funktioniert, gewinnt.  

Mut zur Albernheit

Das bedeutet unter anderem, dass man als Unternehmen keine Angst davor haben darf, auch mal über sich selbst zu lachen und etwas albern zu sein. In den vergangenen Jahren setzte sich in vielen Social-Media-Teams die Erkenntnis durch, dass man auf Twitter, Instagram und Co. ohne Schlagfertigkeit und Kenntnisse über aktuelle Trends und Memes nicht weit kommt. Selbst eher langweilige Organisationen wie die Berliner Verkehrsbetriebe können auf diesem Weg eine beträchtliche Followerschaft aufbauen. Für TikTok gilt dieser Grundsatz umso mehr. Wer hier witzigen, originellen Content liefert, kann sich fast sicher sein, dass dieser „viral geht“. Die Gleichung ist hierbei simpel: Je witziger, auffälliger und absurder desto besser. Man stelle sich beispielsweise vor, Volkswagen würde sein neuestes Modell mit einem ausgelassen tanzenden Herbert Diess präsentieren. Ein solcher Videoclip würde sich im Eiltempo verbreiten. Frei nach Kim Kardashian müsste es dann heißen: „Herbert breaks the internet!“. Dass man es als Vorstandsvorsitzender eines deutschen Autobauers zur Kultfigur schaffen kann, bewies ja bereits einer seiner Kollegen mit markantem Schnauzbart. Zugegeben, ein Neuwagen liegt aktuell sicher nicht im Budget des Durchschnitts-TikTok-Users. Doch gutes Marketing muss ja nicht immer direkt zu einem Kauf führen.  

Die Macht des Feeds

Hauptgrund warum diese Faustregel für TikTok noch viel mehr als für jedes andere soziale Medium gilt, ist der ausgeklügelte Algorithmus der Plattform. Schon nach kürzester Zeit fällt einem als neuer User auf, dass die Videos, die einem der Feed vorsetzt, erstaunlich gut zu den eigenen Interessen passen. Fast schon unheimlich kam es mir persönlich vor, als ich keine Stunde nach dem ersten Öffnen der App, so gut wie nichts mehr zu sehen bekam, das mich nicht zumindest ein wenig unterhielt. Als Basis für dieses exakte Antizipieren der Nutzer-Präferenzen nimmt das System unzählige Faktoren – etwa welche Videos tatsächlich bis zum Ende gesehen wurden – und generiert hieraus ein User-Profil. Dies ist zwar Standardvorgehen im Bereich Social Media, die Präzision mit der TikTok die eigenen Vorlieben errät ist jedoch ein neues Niveau. Vor wenigen Monaten veröffentlichte das Unternehmen einen Blog-Beitrag, in dem die Funktionsweise erstmals transparent erläutert wurde. Besonders interessant: Der sogenannte „For You“-Feed ist zwar spezialisiert dem Nutzer Videos zu zeigen, die zu seinen Interessen passen, gleichzeitig wird aber Wert darauf gelegt, die Filterblase immer wieder aufzubrechen. Bringing a diversity of videos into your For You feed gives you additional opportunities to stumble upon new content categories, discover new creators, and experience new perspectives and ideas as you scroll through your feed“, beschreibt TikTok selbst den Mechanismus.   Für Unternehmen ergibt sich aus all dem die wichtige Schlussfolgerung, dass es auf TikTok tatsächlich auf interessanten Content ankommt, was auch immer das im Einzelfall heißen mag. Wenig bis gar keinen Einfluss haben hingegen simple Tricks, wie das Verwenden bestimmter Hashtags oder Clickbait-Titel. Wird ein Video von vielen Usern schnell weggewischt, schließt der Algorithmus daraus, dass der Inhalt schlecht ist und spült es dementsprechend weniger in die Feeds. Die einzige Möglichkeit, Nutzern ein Video „aufzuzwingen“, ist durch Bezahlung, denn gesponserte Clips werden ohne Rücksicht auf individuelle Präferenzen angezeigt. Da Werbevideos jedoch recht deutlich als solche markiert sind, mindert das ihre Attraktivität selbstverständlich massiv. Hier möchte ich zuletzt auch etwas an die PRler-Ehre appellieren. Wer ein unterhaltsames Video liefert, hat Erfolg – und braucht dafür gar nicht finanziell nachzuhelfen.