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Wer dieser Tage durch deutsche Innenstädte läuft, dem begegnen hin und wieder maskierte Gestalten. Je näher der Rosenmontag bzw. Faschingsdienstag rückt, nimmt deren Anzahl zu, manchmal in beunruhigendem Ausmaß. Die kleinen sind meistens Kinder, die mit oder ohne eigenem Einverständnis in Kostümen und Verkleidungen stecken, die gerade im Trend liegen. Zu meiner Zeit – also im vergangenen Jahrtausend – waren das vornehmlich Cowboys, Indianer (so wurden sie damals kindermundartig noch genannt) und Matrosen bzw. Piraten. Die Mädchen – also die mir binär entgegengestellte Personengruppe meines Alters – sah ich eher als Prinzessinnen, Elfen und Marienkäfer verkleidet an mir vorbeischweben. Heute begegne ich den kleinen Verkleidungskünstlern und -künstlerinnen eher selten, d.h. zufällig am Rande von Fastnachts-/Faschings-/Karnevalsumzügen.

Die großen hingegen sehe ich jetzt öfters. Vor allem dann, wenn ich vergesse, dass just zu der Zeit meiner Einkäufe oder Spaziergänge in der Innenstadt, sich ein närrisch bedingter Umzug durch Gassen und Straßen wälzt. Wobei sich das hier in Ulm und um Ulm herulm immer noch in Grenzen hält. In Köln, Düsseldorf und Mainz, aber auch in Aachen und sonsterlei protestantischen Gesinnungen abholden Städten und Gemeinden, sieht das ganz anders aus. Ganz zu schweigen von den im süddeutschen, d.h. schwäbisch-alemannisch geprägten Bräuchen mit Narrensprüngen, Hexen, Wilde Leut, Butzenlaufen, Schnitzelbänke, Rätschen, Klöpfeln usw. Spätestens am Donnerstag vor den närrischen Tagen herrscht in diesen päpstlich orientierten Orten oft ein Ausnahmezustand, dessen begeisterte Teilnehmer in Anzahl und Leidenschaft bäuerliche Proteste oder aufrüttelmotivierende Klebeaktionen recht ärmlich dastehen lassen. Wer ab diesem Tag etwa einen beruflichen Termin in Köln, Düsseldorf oder Mainz wahrnehmen will, sollte sich früh auf den Weg machen, oder eher damit rechnen, verkohlt (umgangssprachlich für ‚verulkt‘) worden zu sein.

Und das soll ursprünglich einmal dazu gedient haben, den Winter zugunsten des Frühlings zu vertreiben bzw. die 40 Tage vor Ostern beginnende liturgische Fastenzeit einzuleiten? Nun, die Wege des Herrn sind unergründlich.

Wer einmal die großen Unterschiede zweier Glaubenausprägungen auf kleinem Raum erleben möchte, möge die nächsten Tage nach Baden-Württemberg reisen, genauer gesagt in die Nähe von Tübingen und Rottenburg am Neckar. Dort wird sie oder er oder beides feststellen, dass dieser Fluß der einzige gemeinsame Nenner dieser Kleinstädte ist. Denn während in der über 500 Jahre alten Universitätsstadt das Stadtleben vom üblichen studentischen Getriebe des akademischen Grau-in-Graus in weißen Turnschuhen geprägt ist, ist im nur 10 Kilometer Luftlinie entfernten Bischofsitz die Hölle … pardon! … eine riesengroße Party im Gange. Tausende Häs, also Masken und Larven, sind dort auf den Straßen und Gassen der Innenstadt unterwegs und stellen den Neigschmeckten vor die Frage, wen er nun vor sich hat. Narren? Hexen? Wilde Leut? Teufel? Dämonen? Butzen? Hansele? Schantle?, Alte Weiber? … Wer auch immer es sein mag, es ist ein Höllenlärm in der Stadt.

Hier im protestantischen Ulm gilt hingegen: „Wenn alles friert und keiner lacht, dann ist Ulmer Fassenacht!“ Wobei die gesenkte Lachneigung früher wohl tatsächlich dem saukalten und feuchten Wetter der Donaustadt geschuldet war und nicht unbedingt der mangelnden Qualität damaliger Späße und Neckereien. Obwohl hier heutztage klimabedingt höhere Temperaturen zu verzeichnen sind, meinen manche Ulmer, dass dieser Spruch immer noch gilt.