Lange ist es her, seit das letzte Mal Nebel über die Bühnen zog, Lichter und Menschen tanzten, Musik ertönte und am Ende Konfetti die Böden bedeckte – wie buntes Laub im Herbst. Die Rede ist von Konzerten: Konzerte und Musikveranstaltungen, wie wir sie kennen, welche für uns selbstverständlich waren. Niemand hätte wohl damit gerechnet, dass sie einmal so urplötzlich für mehrere Monate pausieren müssen. Und dabei fehlt den Musikern auch ein wichtiger Kanal für ihre Botschaften.
A Head Full Of Dreams
Neulich, an einem gemütlichen Herbstabend, machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich und schaute die Dokumentation der Band Coldplay auf Netflix an. „A Head Full Of Dreams“ führte mir wieder klar vor Augen, was für eine Vorbildfunktion viele Musiker für manche Leute einnehmen. Ohne Tourneen, Auftritte oder Promo-Termine sind sie heutzutage nur flüchtige Gesichter auf Social Media-Kanälen und ihre Musik lediglich über Streaming-Dienste zu hören. Doch was wären wir ohne die Shows von Coldplay, den Beatles, den Rolling Stones, Nirvana oder Queen und alle größeren und kleineren Musiker, denen wir neben herausragender Musik auch Motivation, Komfort, gute Laune und selbsttherapierte Aggressionsbewältigung beim Mitsingen während des Autofahrens zu verdanken haben?
Alle dieser Künstler haben etwas gemeinsam: Sie waren mutig genug, um ihre Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, in Songs zu verpacken und diese vor großem Publikum vorzutragen. Ob politisch motivierte Punk-Songs oder schnulzige Liebeslieder – ihre Musik findet Anklang bei Menschen auf der ganzen Welt. Die Live-Konzerte spielen dabei eine wichtige Rolle im Erleben von prägender Musikgeschichte. Auch auf die Botschaften in den Ansagen der Musiker kommt es an. Durch deren Präsenz und Reichweite gelten sie als Multiplikatoren, indem sie ihre Stimme nutzen, um für etwas Wichtiges einzustehen oder Spenden für einen guten Zweck zu sammeln. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Wohltätigkeitskonzert „Live Aid“ aus dem Jahr 1985, bei dem viele bekannte Größen wie beispielsweise Phil Collins oder Madonna auftraten, um Geld für die Hungerhilfe Afrika zu sammeln. Auch heutzutage wird solchen Konzerten eine wichtige gesellschaftliche Funktion zugeschrieben. Vor zwei Jahren beispielsweise nahmen beim „Wir sind mehr“-Konzert in Chemnitz tausende Menschen gegen Rechtsextremismus Stellung.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Doch reicht das, um als systemrelevant zu gelten? Anscheinend nicht, lehrt uns die Corona-Krise. Dass Events mit tausenden Besuchern gerade nicht stattfinden können, ist verständlich. Aber wird die Veranstaltungsbranche einen kompletten Lockdown noch länger überstehen? Hier geht es für viele schließlich um’s nackte Überleben. Den Fans fehlt die Nähe zu ihren Idolen. Die Veranstalter, Künstler sowie ihre Crews verdienen kein Geld. Für sie ist das kein Dauerzustand, denn das Wesentliche ist das Spielen und Erleben von Musik. Deshalb melden sich dieses Mal im Internet viele Musiker in eigenem Interesse zu Wort, um auf die Ungerechtigkeit sowie fehlenden finanziellen Maßnahmen hinzuweisen. Denn nicht nur die Stars im Scheinwerferlicht leiden unter den aktuellen Beeinträchtigungen, sondern auch alle Verantwortlichen, die hinter den Kulissen arbeiten. Ton- und Lichttechniker, Tourmanager, Backliner, Veranstalter, Foto- und Videografen. Doch braucht es nun andere Kanäle als Live-Konzerte, damit ihre Botschaften erhört werden. Deshalb wurden in vielen Städten Deutschlands Foto-Initiativen wie „Ohne uns ist’s still“ ins Leben gerufen und auf Social Media-Plattformen auch unter dem Hashtag #alarmstuferot geteilt. Hierbei werden Leute ins Rampenlicht gestellt, die sonst weniger wahrgenommen werden. Mit schwarz-weißen Portraits und persönlichen Statements wollen sie gemeinsam auf die Missstände aufmerksam machen.
Meiner Erfahrung nach zeichnet alle Menschen im Musik-Business ein starkes Durchhaltevermögen aus. Sie sind es gewohnt hart zu arbeiten. Und deshalb werden sie zusammen auch diese Zeit überstehen, bis es wieder weitergehen kann. Solange müssen sie sich andere Kanäle suchen, um gehört zu werden. Veranstaltungsbranche – we will try to fix you.
Autorin: Diana Mühlberger