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Wer kennt die Euphorie eines wirklich erstklassigen Gespräches? Ein Gespräch, das eine allgegenwärtige Thematik neu aufleben lässt und einem eine ungewohnte Weitsichtigkeit verleiht – aus dem man am Ende mit irgendwie „mehr“ hervorgeht. Das Problem an solchen Gesprächen ist: Sie kündigen sich nicht an. Solche Unterhaltungen entstehen eher dann, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Genau daraus ergibt sich die Problematik ein gutes Interview zu führen. Denn Interviews sind geplante Gespräche, die aber ausgezeichnet werden, wenn sie die Euphorie einer dementsprechenden Unterhaltung haben. Eine Kunst für sich. Bei Press’n’Relations kann man dem Künstler mal beim Künstlern zuschauen und feststellen: Der Trick ist a) gute Vorbereitung und b) ein interessantes Thema.

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Das Thema in diesem Fall war „Frauen in der Chefetage“. Und zwar nicht nur zum Kaffee-auf-den-Konferenztisch-stellen. Nee, so richtig im Ledersessel hinterm Mahagonischreibtisch (Warum sitzt der Klischee-Boss eigentlich hinter so ’nem dunklen Monstrum?). Selbst wer die Zahlen aus den diversen Debatten zur Frauenquote nicht kennt, weiß: Frauen haben auf Arbeit doch noch eher selten das Sagen. Und da wir uns ja im 21. Jahrhundert mit Gleichberechtigung und so befinden, will man das jetzt schleunigst ändern (die Quote) und rätselt eifrig, warum und weshalb und wie es denn überhaupt anders geht.

Beliebtester Grund für die geringe Anzahl an Frauen in Chefposition ist natürlich die Familie. Frauen interessieren sich nämlich nur so lange für die Karriereleiter bis zu der Sprosse, die sie auf Flughöhe mit den Störchen bringt. Dann wachsen ihnen selbst auf einmal Flügel und es geht ab ins heimelige Nest, um zu brüten. Und gesehen ward sie nimmer mehr. Dieses Bild von Frauen im Berufsleben wurde von ihren Artgenossinnen geschaffen. Allerdings jener Sorte, die es „geschafft“ hat – trotz Kinder, wie betont wird. Da wird nämliche jede Frau belächelt, die auch nur einen Tag länger als unbedingt nötig in Mutterschaftsurlaub geht. Denn die Karrierefrau von heute steht schneller wieder im Büro als die Model-Mama wieder auf dem Laufsteg und ist sogar noch im Kreißsaal per Mail erreichbar. Alle, die es anders machen, „wollen das ja auch so“ und haben berufliche Aufstiegschancen schon mal gar nicht verdient.

Die andere favorisierte Begründung sind die Männer. Demnach scheint gegen die Unternehmensführer dieser Welt jeder Schimpanse ein reiner Feminist zu sein. Für diese Männer machen Frauen im Bezug auf Arbeit nämlich nur Sinn in der Küche. Wenn es ums Einstellen geht, werden natürlich einzig Bewerber der männlichen Gattung gewählt. Da ist die Qualifikation schon mal ganz egal und „die werden auch nicht schwanger. Höhö“. Der Ansicht dieser Neandertaler-Chefs nach ist das „schwache Geschlecht“ außerdem eh viel zu – ja – schwach, um sich in den hohen Etagen durchzubeißen. Die passive, vorsichtige und risikoscheue Geschäftsfrau hat im harten Gerangel der „Bussines-Men“ demnach nichts zu suchen. Eine neue – von Männern geführte – Studie will allerdings belegen, dass Frauen in Führungspositionen aus Erfahrungsmangel ihre männlichen Kollegen imitieren. Um von diesen akzeptiert zu werden, würden sie sogar versuchen, diese zu übertrumpfen. Gut wäre das allerdings nicht, sondern führe zu einem riskanteren Geschäftsmodell. Aha. Frauen als Frauen also nix fürs Chefbüro. Und Frauen, die sich wie Männer verhalten, auch nicht. Danke auch, wir gehen dann mal wieder.

Im Grunde sind beide – Männer wie Frauen – für den Stand oder das Bild der weiblichen Führungskräfte bzw. Nicht-Führungskräfte verantwortlich. Es ist das jahrhundertealte, gesellschaftliche Bild, das sich bei uns allen gefestigt hat und unser Verhalten als Männer und auch als Frauen prägt. Zudem ist es ja so, dass wir von „Ich Tarzan und du Jane“ gern mal profitieren. Da ist der Anspruch an 54 Jahre Gleichberechtigung, das alles zu richten, einfach sehr groß. Das Bild, das sich von den Macht- und Aufgabenverhältnissen der Geschlechter manifestiert hat, ist schließlich älter als jedes Gesetz. Da kommt auch das Tempo des 21. Jahrhunderts nicht gegen an. Was wir brauchen ist Geduld und dass wir den Veränderungen, die bereits eingetreten sind, Beachtung schenken. Es gibt immer mehr Konzepte und Möglichkeiten für Frauen mit Beruf und Familie, sowie Männer, die gerne Elternzeit in Anspruch nehmen oder auch ganz zu Hause bleiben. Sowie die zahlreichen Frauen, die es schon in Führungspositionen gibt – und sich vollauf toleriert sowie fähig fühlen.

Was sich zwischen alldem herauskristallisiert, ist eines: Egal ob Mann oder Frau, ein guter Chef ist, wer ein guter Chef ist. Tolerant, verantwortungsbewusst, gerecht und mit einem Händchen fürs Geschäft.

 

Nebenbei, das Interview war eines dieser erstklassigen Gespräche.

Lea Biermann