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“Falling in love” – “falling out of love”. So schön lässt es sich im Englischen beschreiben. Im Deutschen sagt man als Gegenstück zu „sich verlieben“ eher selten „sich entlieben“. Wir haben keine solche Formulierung. Es sollte sie aber geben, denn es passiert minütlich, sogar sekündlich. Ich rede nicht nur von Liebe zwischen Verliebten. Freundschaftliche Herzen können auch brechen. Oft nicht so offensichtlich wie bei Paaren. Oft überrumpelt es einen nicht, sondern bahnt sich langsam an.

Oft ignoriert man das Gefühl, denn wir sind doch Freunde. Wir waren doch immer so gut füreinander. Wir sind vielleicht nicht mehr, wer wir waren. Wir sind auf jeden Fall anders. Ich will es nicht glauben. Manche Gefühle sind nicht für die Ewigkeit. Es ist glasklar für uns, dass wir nicht mehr mit unseren Kindergartenkameraden befreundet sind. Ist doch eindeutig: Wir sind auf verschiedene Grundschulen gegangen. Unsere Leben haben unterschiedliche Wege eingeschlagen.

Warum können wir das jetzt nicht mehr verstehen. Wir verändern uns konstant. Auch wenn es äußerlich nicht immer erkennbar ist, aber besonders als junger Erwachsener durchläuft man einen ständigen inneren Wandel. Freunde können einem helfen, in den jugendlichen Zeiten des Wirbels nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Doch es kann auch sein, dass man festgehalten wird, einem wird ein schlechtes Gewissen eingeredet und dann wird es ernst.

Im Internet ist es so einfach. Egal ob Instagram, Facebook oder Twitter: Ein Klick und man ist nicht mehr befreundet. Man hat dieBeziehung zu dieser Person quasi ausgelöscht. Gäbe es da nicht noch dieses echte Leben, in dem die Person immer noch existiert. Nervig. Wir haben leider und zum Glück Gefühle. Wir sind ja keine Roboter. Zumindest nicht alle. Für manche wirkt es so leicht.

Zwölf Jahre lang war ich mit ihr, wir nennen sie L, befreundet, bis es im Oktober 2018 zum Stopp kam. Die Freundschaft war nicht mehr wie damals. Das war meine Meinung. Anstatt es anzusprechen, habe ich es noch schlimmer gemacht. Ich konnte nicht mehr und habe versucht, mich rauszuschleichen. Ich ignorierte sie und gab nur kurze Antworten. Sie wusste nicht mehr, was in meinem Leben passierte. Ich konnte es ihr nicht erzählen, ich wollte nicht, dass sie alles weiß. Das merkten auch andere; besonders meine Familie wunderte sich. Doch wie kam es dazu?

Wir mögen nicht mehr die gleichen Dinge. Unsere Prioritäten haben sich verschoben. So wie deine Einstellung zum Leben ist, kann ich gar nicht nachvollziehen. Dir sind die falschen Dinge wichtig. Bei dir zu sein fühlt sich an, wie eine Pflicht. Ich werde dieser Pflicht nachgehen, denn ich kenne nichts anderes. Loslassen wäre zu schwer.

Das dachte ich über L. Obwohl es nie ihre Intention war, hat es sich angefühlt, als hätte sie mit ihren Werten, die sie mir auf dem Servierteller präsentierte, versucht, mich zu verbiegen. Später erfuhr ich, dass sie nie an so etwas gedacht hatte. Sie konfrontierte mich: „Premium ignoring“, schrieb sie. Ich habe versucht, ihr schonend zu erklären, dass ich gerade keine Lust auf sie hatte. Das eskalierte. Wir warfen uns alle möglichen Dinge an den Kopf und sprachen uns aus. Das Beste, was uns jemals passiert ist. Denn wir haben all die Jahre immer allen möglichen, vermehrt auch unnötigen, Gesprächsstoff gehabt, aber unsere Probleme haben wir nie miteinander besprochen. Freunde wollen einem natürlich helfen und Ratschläge geben. Wenn sich das Leben von dieser Person vorgeschrieben anfühlt, ist etwas schief gelaufen. L und ich lebten glücklich, mit einem kleinen Rückfall. Doch unsere Aussprache fängt uns immer wieder auf. Unsere Liebe zueinander lässt uns immer wieder zusammenwachsen. 

Kommen wir zum zweiten Fall: M. Diesen Sommer war ich mit einem Interrailticket in Europa unterwegs, mit einer anderen Freundin, nennen wir sie M. Unser vierter Stopp, nach circa zweieinhalb Wochen reisen, war London. M und ich haben uns dieses Jahr frisch kennen und lieben gelernt. Doch nachdem wir etliche Tage lang fast jede freie Sekunde miteinander verbrachten und uns kleinste Betten teilten, wurde es anstrengend.

Erschöpft und voller Sehnsucht unser Handy wieder laden zu können (wir haben vergessen einen Adapter einzupacken), fanden wir uns in der Regent Street. Ein großer weißer Apfel lächelte uns schon von Weitem an. Hilfe nahte. Die Hilfe in Form eines Apple Stores.

Unser Erwartungen wurden übertroffen: Im Apple Store trafen wir auf einen Engel: Marlon. Er hatte zufällig seine Schicht als Berater im Apple Store, als M und ich eintraten. Keine zehn Schritte habe ich gemacht, bis Marlon mir entgegen kam. Ich wusste in diesem Moment, dass Marlon besonders ist. „How can I help you?“ war seine Frage, aber ich wusste, dass seine Augen eine andere Frage stellten: „Are you ok?“. Nach einer belanglosen Konversation über das Ladekabel, redeten wir über Interrail. Als Erfahrener in diesem Gebiet sagte er plötzlich, wie aus dem Nichts, aber aus meiner Seele gesprochen: „Please be careful and give yourself some alone time. I fell out with one of my mates because we saw each other too much during travels. We never talked it through. Please talk about what annoys you. Take care of each other.” Wir gönnten uns eine Auszeit voneinander. Wir haben aufeinander aufgepasst. Passt auf euch auf!

Maylin Möller