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Das gesammelte Wissen der Welt, nur einen Klick entfernt – mit diesem Versprechen traten um die Jahrtausendwende Google und andere Suchmaschinen an, das Internet und in vielerlei Hinsicht die Welt zu revolutionieren. Für viele Jahre entsprach das vollmundige Mission-Statement auch der Realität. Egal zu welchem Thema man Fragen hatte, die Suchmaschine mit den bunten Buchstaben konnte jederzeit und innerhalb von Sekunden Antworten liefern. Mit immer gründlicheren Web-Crawlern und ausgefeilteren Algorithmen wurde das Netz durchkämmt, was stetig bessere Ergebnisse zur Folge hatte. Von Online-Artikeln renommierter Leitmedien bis hin zu Beiträgen in obskuren Special-Interest-Foren ließ sich nun so gut wie jede Information mit einer simplen Anfrage ausfindig machen. Schnell wurde ein Leben, in dem man nicht „mal schnell was googeln“ konnte, unvorstellbar. Dabei ist diese graue Vorzeit gerade einmal 25 Jahre her.

Schon damals galt jedoch: Wo eine neue Technologie innerhalb kürzester Zeit Millionen bzw. Milliarden von Menschen erreicht, sind die Marketers nicht weit. Für sie stellte sich die Frage, wie man es bewerkstelligen könnte, dass der Nutzer auf seine jeweilige Suchanfrage mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit ein Produkt bzw. eine Dienstleistung des eigenen Unternehmens angezeigt bekommt. Neben Anzeigenschaltungen, die bis heute das Hauptgeschäft der Suchmaschinenbetreiber ausmachen und die eine hohe Platzierung im Ranking des Algorithmus garantieren, lautete die Antwort hierauf Search Engine Optimization – SEO. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich so eine ganze Branche mit angeschlossener (Pseudo-)Wissenschaft, deren oberstes Ziel es ist, Webseiten so zu gestalten und mit Content zu füllen, dass Google und Co. diese für besonders relevant erachten. So weit, so nachvollziehbar. Doch die Erkenntnisse der SEO-Experten – etwa wie sich das Google-Ranking durch die ständige Wiederholung einzelner Keywords überlisten lässt – hatten auf lange Sicht vor allem zur Folge, dass die Ergebnisse der Websuche zunehmend unbrauchbar wurden.

Hundert Artikel, eine Antwort

Das mag im ersten Moment übertrieben klingen. Denn selbstverständlich werden Suchmaschinen mehr denn je genutzt und würden sie gar nicht funktionieren, wäre das wohl kaum der Fall. Doch vergleicht man einmal das Sucherlebnis vor 10 bis 15 Jahren mit dem von heute, fällt schnell auf, dass früher vieles besser war. Ein Beispiel, das ich erst kürzlich selbst erleben musste, soll verdeutlichen, was ich meine:

Da wir uns bei Press’n’Relations seit einiger Zeit verstärkt mit KI-Anwendungen beschäftigen, wollte ich die Möglichkeiten der Bilderstellungssoftware Midjourney testen. Wie ich jedoch schnell feststellte, lässt sich diese nur über spezielle Chaträume innerhalb des Sprach- und Videokonferenzprogramms Discord nutzen. „Das muss doch auch anders gehen“, dachte ich mir und befragte Google nach einem Workaround. Auf den ersten Blick schien meine Suche auch das gewünschte Ergebnis zu liefern. Verschiedene Seiten begrüßten mich mit Headlines wie „Midjourney ohne Discord verwenden: Ein umfassender Leitfaden“ oder „Kannst du Midjourney ohne Discord verwenden?“ und suggerierten so, eine Lösung für mein Problem zu bieten. Bei genauerer Betrachtung entpuppte sich dann allerdings jeder einzelne der Artikel als Mogelpackung. Nach einer viel zu langen Einleitung, in der die Begriffe Midjourney und Discord jeweils etwa drei Dutzend Mal verwendet wurden, lautete die Antwort immer: „Midjourney kann man nur mit Discord verwenden.“ Gut zu wissen.

Kein Entkommen vor der Content-Flut

Diese Problematik ist längst kein Einzelfall mehr. Wer heute eine Suchanfrage an Google stellt, wird in den meisten Fällen mit einer Flut an suchmaschinenoptimierten Nonsens-Artikeln überschwemmt, deren eigentliche Aussage sich auf einen Satz eindampfen ließe. Im besten Fall sind diese nur unnötig aufgeblasen, um fragwürdige SEO-Kriterien zu erfüllen. Oft wird der Algorithmus-Sprech aber auch noch um schlimmstes Marketing-Blabla ergänzt, damit auch sicher jedem Leser klar wird, welches Unternehmen gerade seine Frage beantwortet. Neu ist das Thema freilich nicht. Schon 2014 brachte es etwa JR Hennessy von The Guardian in einem äußerst unterhaltsamen Artikel treffend auf den Punkt: „This bizarre idea – that web audiences might like to read something relevant and interesting rather than have a brand message forced into their eyes – is anathema to the content marketer.“ So kann es auch nicht verwundern, wenn viele User ihre Suchanfragen mittlerweile um das kleine Wörtchen Reddit ergänzen. Denn in den themenspezifischen Foren der Plattform findet man noch immer nützliche Informationen und gute Ratschläge.

Für die Zukunft der Suchmaschinen sehe ich also, wenn nicht Schwarz, dann doch Dunkelgrau. Schon jetzt lässt sich erahnen, dass mit dem kometenhaften Aufstieg generativer Text-KIs die Schwemme an nutzlosem SEO-Content massiv an Fahrt aufnehmen wird. Bereits bei meiner angesprochenen Midjourney-Recherche stolperte ich über Artikel, die offensichtlich von ChatGPT verfasst wurden. Betrachtet man die rasante Entwicklung der Technologie, dürfte AI-Content in den kommenden Monaten und Jahren an vielen digitalen Orten durch seine schiere Masse zum Problem werden – man denke nur an Fake-Reviews bei Amazon, Tripadvisor und Co. oder automatisierte Shitstorms auf Social-Media. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Internetkonzerne erkennen, wie ihre Produkte aufgrund der abnehmenden Usability für den Endverbraucher an Attraktivität verlieren und entsprechend gegensteuern.