Strategiefindung gehört wohl zu den betriebswirtschaftlichen Disziplinen, die am meisten missverstanden werden. Egal ob Management, Business Development, Marketing oder PR – Strategiepapiere sind oftmals gespickt mit theoretischen Betrachtungen, Marketing-Plattitüden und (leider) beliebig austauschbaren Alleinstellungsmerkmalen. Ich wage mich an eine erste Ursachenforschung und behaupte: Viele Strategiepapiere sind einfach keine.
Frau Nyendick, wir brauchen einen Plan
„Ohne Business-Plan können wir nicht weitermachen“, „Wir müssen unsere Potenziale konzeptionell aufarbeiten“ – So oder so ähnlich klingt der Startschuss eines Strategieprozesses. Viele dieser Projekte wurden über die Jahrzehnte von mir begleitet – mal als Sparringspartner, mal als Content-Lieferant.
An dieser Stelle ein kleines Outing: Ich habe eine ausgeprägte Hass-Liebe zum Thema Strategie. So wenig ich es leiden kann, in endlosen Workshops gefangen zu sein, so faszinierend finde ich die teils hochkreativen Ergebnisse. Müsste ich jedoch ein Resümee ziehen, stünde wohl an erster Stelle, dass kein Strategiepapier dem anderen in seiner Form gleicht, im Inhalt aber schon. Obwohl man mit der verfügbaren Fachliteratur, den unzähligen Aufsätzen und Projektarbeiten über Strategieplanung ganze Meere zuschütten könnte, hapert es am Verständnis, was eine Strategie eigentlich ist, welcher Form sie folgt und welche Inhalte dabei entstehen (sollten).
Warum ist das so? Die Annäherung, die ich nun versuche, ist weder wissenschaftlich abgesichert noch vollständig. Sie basiert auf 20 Jahren Berufserfahrung und unzähligen guten wie nicht so guten Strategieprojekten.
Was ist Strategie?
Meistens beginnt ein Strategieprozess mit der Formulierung bedeutungsschwerer Visionen und Leitbilder, aus welchen verschiedene ehrgeizige Ziele abgleitet werden. Dann folgt ein Intermezzo an Markt-, Zahlen-, SWOT- & Co.-Analysen unterschiedlichster Art sowie eine lange Liste an Maßnahmen und Aktionen, die zur Zielerreichung dienen. Im letzten Schritt erschöpfen sich die Teilnehmer an einer ausgiebigen Excelei, an deren Ende Budgets und Kostenpläne stehen.
Wo hat nun „Strategie“ stattgefunden? Bedeutet Strategie das Formulieren von Visionen und Zielen, die Ausarbeitung von Analysen und Plänen oder das Aufstellen von Budgets? Oder ist Strategie einfach alles?
Die Antwort: Nichts von alldem ist Strategie. Soweit, so schlecht.
Muss der Weg in die Zukunft durch die Vergangenheit führen?
Beim Blick auf die vielen Business-Analysten, die auf Basis vergangener Daten die unternehmerischen Chancen und Risiken vorhersagen wollen, wird mir ganz anderes zumute. Warum? Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich das Bild vor Augen, ich säße in einem Auto mit zugeklebter Frontscheibe und ich könnte nur den Rückspiegel benutzen, um vorwärts zu fahren. Datenanalysen basieren auf vergangenen Leistungsräumen. Wenn wir an Zukunft denken, sollten wir aber doch auch nach vorne schauen, oder nicht? Es ist zweifelsohne wichtig, die Erfahrungs- und Expertenkultur von „Lessons Learned“ zu praktizieren. Aber nicht ausschließlich. Das Ziel einer Strategie ist es nicht, Risiken mittels Vergangenheitsbewältigung zu minimieren, sondern die Erfolgschancen zu erhöhen und Geld zu verdienen. Strategie ist ein Prozess, in dem wir Wetten auf die Zukunft abschließen. Und so ein Unterfangen erfordert Mut und findet per Definition außerhalb der Komfortzone einer Datenanalyse statt. Ich schließe mich also dem Universitätsprofessor Roger L. Martin an, wenn er behauptet: „Angst und Unbehagen sind im Strategieprozess unerlässlich.“
Zahlenanalysen haben also in einem Strategieprozess deutlich weniger zu suchen, als es in der Praxis der Fall ist.
Kosten oder Umsatz
Viele Unternehmen stellen in ihrer Planung fundierte Excel-Analysen auf, um die Kostenseite des Vorhabens zu durchdringen. Diese Sichtweise ist wichtig, um den betriebswirtschaftlichen Handlungsrahmen auf sichere Beine zu stellen. Genauso wichtig ist jedoch die Tatsache, dass sich Strategie mit Wachstum, Marktchancen, Umsatz und Profit beschäftigt. Dieser Blinkwinkel hat einen ganz anderen Fokus: die Stakeholder des Unternehmens – ob Mitarbeiter, Kunde, Lieferant oder Aktionär. Wenn wir uns im Strategieprozess damit beschäftigen, was unsere Beziehungspartner eigentlich von uns wollen (werden) und welche Bedürfnisse wir befriedigen müssen, damit sie unseren Umsatz ankurbeln, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Die Geheimzutat jedes erfolgreichen Strategieprozesses heißt also Bedürfnisorientierung. Das klingt einfach, ist aber selten zu finden.
Zwischen Ziel und Aktion liegt die Strategie
Schaut man auf die Anatomie der Business-Planung, dann sitzt die Strategie zwischen dem aus der Vision/Mission abgeleiteten Ziel und dem taktischen sowie operativen Werkzeugkasten.
Das Ziel sollte in einem kurzen Statement beschreiben, was das Unternehmen in Zukunft erreichen möchte. Hier ist es entscheidend, keine 100-Seiten-Papiere zu erzeugen, sondern klare, kurze und vor allem präzise Aussagen zu treffen. Beispiel: Ich möchte in den nächsten drei Jahren ein organisches Wachstum von fünf Prozent erzielen. Oder: Ich möchte in meinem Segment den Marktanteil meines Unternehmens um zehn Prozent in den Zielgruppen A und B steigern.
Achtung: JETZT BEGINNT STRATEGIE.
Und zwar mit der Frage: Wie komme ich dorthin? Wir antworten zunächst in Form von sogenannten strategischen Schlüsselfaktoren. Beispiel: In unserem Fall könnten das die Faktoren „Preis“, „Servicequalität“ und „Sicherheit“ sein.
Die zentralen Schlüsselfaktoren findet man übrigens am leichtesten, indem man die oben beschriebene Bedürfnisorientierung hinsichtlich der Stakeholder auslebt. Die folgenden zwei Blickwinkel können hier wahre Wunder bewirken:
Im nächsten Schritt gilt es, zu den identifizierten Schlüsselfaktoren buchstäblich Position zu beziehen – und zwar im Vergleich zu anderen Unternehmen. Dieser Vergleich ist wichtig, da es dem Menschen (KUNDEN) leichter fällt, eine Entscheidung durch einen Vergleich zu treffen, als ohne jeglichen Bezugsrahmen. Und wir wollen es unserem Kunden ja leichter machen, sich für uns zu entscheiden. Wir beziehen Stellung indem wir sagen:
– Was wir zu besagtem Faktor genau anbieten und was nicht (Mr. Martin nennt das „Where to play“…)
– Warum unser Angebot anders ist als bei anderen (… and „How to win!“)
Ein Beispiel: „Du wirst im Raum Stuttgart kein billigeres Angebot finden und wenn doch, bekommst du von uns dein Geld zurück oder wir bezahlen den Aufpreis.“ Das ist eine klare Position zum Schlüsselfaktor „Preis“. Haben wir zu allen Schlüsselfaktoren Position bezogen, ist die POSITIONIERUNG abgeschlossen.
Strategiefindung ist am Ende also nichts anderes als eine Positionsfindung und -beschreibung, denn
Achtung: HIER ENDET STRATEGIE.
Jetzt übernehmen Taktik und operative Planung das Steuer. Was nun folgt ist die Ableitung der strategischen Faktoren sowie deren Beschreibung. Wir transformieren die Kernelemente unserer Strategie in taktische Kriterien und erstellen besagte lange Liste an Stories & Themen, Maßnahmen, Kampagnen, Werkzeugen, Medien, Kanälen etc. um die bezogenen Positionen unter Beweis zu stellen.
Aber dazu später mehr.
Herzlichst
Ihre Monika Nyendick
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