Frau Nyendick, bitte übernehmen!
Wonach Menschen suchen und was sie wirklich brauchen, sind in der Regel unterschiedliche Dinge. Das ist nicht nur im Privatleben so. Auch bei der Suche nach Dienstleistern haben die Anforderungskataloge nur wenig mit dem gemein, was Firmen wirklich brauchen. Doch wie formuliert man eine Notwendigkeit, die ganz oft einfach nur heißt: Bitte übernehmen Sie Verantwortung!?
Des einen Lust, des anderen Frust
Gute Berater gibt es viele, Perlen nur sehr wenige. Schließlich ist ein Toptreffer ein sehr individuelles Qualitätsprädikat. Doch wie trennt man die Spreu vom Weizen? Müsste ich eine Agentur aussuchen, würde ich wohl folgende Punkte beachten:
Die Checklisten-Sünde
Ein Großteil aller PR-Anfragen beginnt mit einem Anforderungskatalog. Dieses Checklisten-Verhalten verführt leider dazu, das gegenseitige Kennenlernen mit einem „Mein Haus, mein Auto, meine Kompetenz“-Spielzug zu eröffnen. Was für Transparenz im Leistungsspektrum eines potenziellen Partners sorgen soll, ist jedoch nur selten zielführend. Selbstverständlich muss ein Auswahlverfahren die Angebote unterschiedlichster Agenturkonzepte vergleichbar machen. Doch Referenzlisten, Kompetenzprofile und Branchenexpertise lassen keine belastbaren Rückschlüsse auf Engagement und Kommitment zu. Expertise zu haben bedeutet nicht, dass man diese auch umfassend einbringt. Genauso wenig ist Beratungskompetenz mit dem Bewusstsein für Verantwortung gleichzusetzen. Menschen, die sich einer Aufgabe mit Leidenschaft „verschreiben“ passen in der Regel nicht in Schablonen. Nichtsdestotrotz kann man sie finden, wenn man das will – und zwar jenseits von Powerpoint und dicken Angebots-Schwarten.
Bier statt Powerpoint
Stünde ich vor der Aufgabe, einen Marketing-Dienstleister zu engagieren, würde ich meinen Gesprächspartner also einfach mal auf ein Bier einladen, anstatt mich von einer professionellen Rampensau zwei Stunden lang mit Powerpoint-Folien bewerfen zu lassen. Warum? Klaut man einem Vertriebsmann die Folien, zeigt sich sein wahres Naturell. Im Biergarten gibt es keine Moderationsnotizen und keine Preislisten, sondern Menschen, die sich unterhalten. In solchen Gesprächen lassen sich deutlich mehr entscheidungsrelevante Erstinformationen sammeln, als es ein Vetriebs-Handout je könnte. Alte Krämerweisheit: Sich hinter einer Visitenkarte zu verstecken ist viel leichter, als hinter einem Bierglas.
Klare Sprache oder Marketing-Slang
Ein fester Händedruck, ein offenes Lächeln, kurze Sätze mit Pausen, immer im Team-Modus anstatt Einzelkämpfer-Allüre – der Verhaltenskodex fürs Erstgespräch ist in Google jederzeit nachlesbar. Ob sich ein PR-Dienstleister jedoch wirklich engagiert und Verantwortung übernimmt, zeigt sich an seinem Rückgrat. Klingt komisch, ist aber so. Ein Mensch, der sich für andere einsetzt, braucht ein klares Selbstbild und Ruhe im Inneren. Doch wie lässt sich Rückgrat auf die Schnelle erkennen? Ein Tipp: Ein Mensch, der anderen wirklich zugewandt ist, wird sich nie durch überzeichnete Sprache vom Gegenüber abheben wollen. Ausgeprägtes „Marketing-Geslänge“ ist ein Zeichen von Überheblichkeit bei gleichzeitiger Unsicherheit. Stoßen Sie auf jemanden, der sich wirklich für Sie interessiert, wird er klar und verständlich sein.
Gibt es Menschen, die erfinden?
Agenturen, die bei der Planung, Strategiefindung und Umsetzung stets auf Best Practice-Methoden setzen, arbeiten hochgradig professionell. Doch ein schlauer Kopf hat einmal behauptet: Wer sich permanent der Gedanken anderer bedient läuft Gefahr, in fremden Schuhen durchs Leben zu gehen. Praxiserprobte Werkzeuge sind wichtig bei der Bewältigung komplexer Aufgaben oder der Organisation des Tagesgeschäfts. Doch selber denken macht großen Spaß! Erfindergeist setzt enorme Energien frei, schafft Erfahrung und ist die beste Basis für Lösungskompetenz. Würde ich einen Agenturpartner suchen, würde ich mich immer dafür interessieren, ob mein Gegenüber auch „selbsterfundenes“ in seinem Konzeptkoffer zu bieten hat.
Auch wir von Press’n’Relations lieben es, selber zu erfinden – etwa das Häuser bauen im Rahmen der PR-Strategie.
Das Toll-Ein-Anderer-Macht‘s-Syndrom
Teams sind eine gute Sache, wenn es um Stellvertreterregelungen oder um die Verteilung von Verantwortung bei großen Retainern geht. Das Team-Working steht jedoch leider auch für eine Kultur der Teilprozesse und Teilkompetenzen. Kaum eine Aufgabe wird noch von Einzelpersonen vollständig übernommen und so schwindet bei vielen schnell das persönliche Verantwortungsgefühl für den Erfolg einer Sache. Ein PR-Berater mit Team-Syndrom bespricht Dinge mit „seiner Mannschaft“, macht Supervisionen und malt Prozess-Charts. Ein PR-Berater, der Verantwortung übernimmt sagt, „Ich kümmere mich“ oder „Ich übernehme“ – und dann wird der Job erledigt. Dass hierbei tatkräftige Team-Unterstützung am Werk ist, ist selbstverständlich. Clevere Möglichkeiten, die Arbeitslast und Wissen zu teilen und doch Verantwortung zu übernehmen, bieten beispielsweise Werkzeuge wie PressFile, TRELLO oder PhraseExpress.
Nein sagen ist nicht unhöflich, sondern zeugt von Verantwortung
Der Kunde ist König und das ist auch richtig so. Nur manchmal ist es auch notwendig, den König zu korrigieren. Viele PR-Berater scheuen jedoch ein klares „Nein“. Die Angst vor der Austauschbarkeit führt dazu, dass Kundenbetreuer nicht mehr um die Magie der Worte „Das macht keinen Sinn“ wissen. Stattdessen strecken sie sich zur Decke, um selbst den denkwürdigsten Kundenwunsch zu erfüllen. So einen Partner würde ich nicht haben wollen. Ich wäre glücklich auf einen Geschäftspartner zu treffen, der dank seines selbstvertrauten Ichs in der Lage ist zu sagen „Ich gebe dir nicht was du willst, sondern was du brauchst“.
Sommerliche Grüße
Ihre Monika Nyendick
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