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2020, das schnellste und gleichzeitig längste Jahr der Menschheitsgeschichte. Praktisch jeden Tag passiert etwas weltbewegendes. Pandemien, soziale Bewegungen, Umweltkatastrophen und hier und da ein politischer Skandal. Keine Woche vergeht ohne die nahende Apokalypse und Neujahr ist gefühlt auch schon fünf Jahre her. Zwischen all dem Trubel sitze ich hier und bemerke: „Ach Mensch, schon wieder acht Wochen um. Zeit für einen Blog-Beitrag.“ Schade nur, dass mir so gar kein interessantes oder wenigstens unterhaltsames Thema einfallen will. Zwei Monate können ganz offensichtlich vorbeigehen, ohne dass man Inspiration und erhellende Gedanken daraus mitnimmt. Die Rettung des Kreativlosen ist jedoch wie immer Social Media. Angeregt durch eine Twitter-Challenge, bei der Nutzer ihre aktuellen Lieblingsfilme, -alben, -bücher oder -spiele beschreiben sollten, werde ich eben das nun hier tun – selbstverständlich etwas ausführlicher, als das auf dem Kurznachrichtendienst möglich wäre. Vielleicht wecke ich so ja bei manchen Lesern Interesse, selbst reinzuschauen und -hören.

Lieblingsfilm:

Die erste Hälfte des Jahres verlief für meine Verhältnisse sehr un-cineastisch (ist das überhaupt ein Wort?). Das Wenige an Filmen, das ich in den vergangenen sechs Monaten sah, hatte ich 2019 versäumt und nun nachgeholt. Absolutes Highlight unter diesen Streifen war aber eindeutig „Uncut Gems“. Beschreibungen wie „Achterbahnfahrt“ oder „Tour de Force“ dürfen hier getrost als verharmlosend bezeichnet werden. Dieser Film ist eine zweistündige Panikattacke. Als wäre dies nicht genug, trumpft auch noch Klamauk-Komödien-Star Adam Sandler in einer seiner seltenen ernsten Rollen auf. Noch nie fieberte ich so sehr mit einem Hauptcharakter mit, obwohl mir jederzeit bewusst war, was für ein fürchterlicher Typ das ist. In Deutschland ist „Uncut Gems“ übrigens unter dem Titel „Der schwarze Diamant“ erhältlich. Reichlich absurd, dreht sich die Handlung doch um einen Opal…

Lieblingsalbum:

Bis vor kurzem hätte ich an dieser Kategorie noch etwas zu knabbern gehabt. Ja, es gab diverse Alben diverser Künstler, die mir gut gefallen hatten und die ich viel hörte. Aber der ganz große Knaller war noch nicht dabei. Doch dann kamen Run the Jewels. Mit ihrer ersten Veröffentlichung seit vier Jahren machte das US-Rap-Duo wieder einmal klar, warum sie zur Speerspitze des Genres gehören. Die Instrumentals sind wuchtiger denn je und die beiden Rapper Killer Mike und El-P lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Hier ist alles dabei: von Pointen, die mich lauthals zum Lachen brachten, bis hin zu Zeilen über die sozialen und politischen Zustände in den USA, die mir immer wieder eine Gänsehaut bereiten.

Lieblingsbuch:

Beim Großteil meiner in diesem Jahr gelesenen Bücher handelt es sich um Sachbücher der trockeneren Sorte. Diese zwar bildende, aber nicht gerade spaßige Lektüre, möchte ich hier niemandem zumuten. Da an der Roman-Front 2020 aber noch keine Landgewinne zu vermelden sind, empfehle ich doch etwas nicht-fiktionales. „Träumer“ von Volker Weidermann beschreibt die wenigen Monate des sozialistischen Münchens nach dem Ersten Weltkrieg aus den Perspektiven verschiedener Zeitzeugen. Hier wird eine bayerische Landeshauptstadt präsentiert, die wir uns heute kaum noch vorstellen können – zuerst unter dem Sozialdemokraten Kurt Eisner, dann in der kurzlebigen Räterepublik. Neben Revolutionären und Politikern kommen auch jede Menge Schriftsteller und Dichter zu Wort. Von den namensgebenden Träumern, wie Ernst Toller und Rainer Maria Rilke, bis hin zu nüchternen Gemütern wie Thomas Mann.

Lieblingsspiel:

2020 hatte schon einige Videospiel-Blockbuster auf Lager (mit „The Last of Us 2“ aktuell eines der eindrucksvollsten Beispiele seit langem). Besonders angetan hat es mir aber ein ganz kleines Spiel. „Coffee Talk“ ist exakt das, was der Name verspricht. Man ist Barista, bereitet also Kaffee zu, und redet mit den Gästen. Was hier zugegeben recht langweilig klingt, entwickelt in kürzester Zeit einen ungeheuren Charme. Jeder einzelne Charakter, der sich an den Tresen setzt, ist interessant und bringt seine ganz eigene Hintergrundgeschichte mit. Wenn sich diese Geschichten mit der Zeit dann zu überschneiden beginnen und das große Ganze zur Entfaltung kommt, wird man endgültig in diese schrullige Welt gesogen. Gegen Ende wird es dann sogar noch etwas abgespaced – wortwörtlich.