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Ein Interview mit Storymaster Joachim Günster

Storytelling. Das klingt für manche wie eine leere Marketing-Phrase, ist aber tatsächlich eine verkaufsunterstützende Maßnahme. Im Interview mit Ralf Dunker von Press’n’Relations erklärt der Storymaster Joachim Günster, wie Storytelling den Verkauf fördert, was eine gute Story ausmacht und warum es wichtig ist, die Story über alle Kommunikationskanäle zu verbreiten.

Storytelling ist wahrscheinlich älter als jede Schrift auf der Welt. Seit jeher haben Menschen Geschichten, Metaphern, Gleichnisse – Stories halt – verwendet, um Wissenswertes weiterzugeben und im Gedächtnis des Zuhörers zu verankern.

Auch das Marketing nutzt die Macht der Geschichten, daher wird der Begriff „Storytelling“ in der Agenturbranche häufig verwendet. Oder abgenutzt, wie die Agenturkollegen von Contently in ihrem Blogbeitrag „10 Content Marketing Buzzwords You’re Going to Hear Way Too Much This Year“ (2015) ausdrückten. Sie hatten Storytelling voriges Jahr zum Top-Buzzword ihrer Branche gewählt. Denn – so in Kürze – als Storyteller bezeichne sich heute ja quasi jeder: der Vertriebsmann für Laubbläser, der Hersteller von Toilettenpapier… Sie alle nähmen für sich in Anspruch, Storytelling zu betreiben, ob’s stimmt oder nicht. Denn Storytelling hat seine eigenen Regeln (dazu mehr im Interview).

Nicht jeder, der etwas erzählt, ist ein Storyteller

Die Kritik im Blog-Beitrag von Contently richtet sich also keinesfalls gegen die Methode Storytelling. Sie ist nach wie vor topaktuell und wird es bleiben. Auch Contently hat das Storytelling selbst immer wieder angeschoben und verfolgt diesen Ansatz im Auftrag seiner Kunden weiter. Aber echtes Storytelling. Weil es besser wirkt als zum Beispiel die Kommunikation technischer Features. Denn wir wollen nicht eine USB-Festplatte mit 2 Terabyte kaufen, sondern eigentlich möchten wir Platz für all unsere Lieblingssongs und Urlaubsvideos. Wir möchten mit einem Produkt nicht seine technischen Merkmale erwerben, wir wollen einen Nutzwert, möchten uns verwirklichen oder uns mit etwas identifizieren können. Das ist bei allen Produkten und Angeboten der eigentliche Grund – und das lässt sich mit einer guten Story zum erfolgreichen Verkauf nutzen.

Storytelling ist und bleibt daher eine ideale Methode, B2C- und auch B2B-Kunden auf sich aufmerksam zu machen und (verkaufsfördernde) Botschaften in ihrem Gedächtnis zu verankern. Weil eine Story auf das Motiv eingeht, nicht nur auf die vordergründige Position – zum Beispiel „Ich brauche eine Festplatte.“. Denn Fotos als Erinnerungen zu sichern hat einen ungleich höheren Wert, als eine 2-TB-Festplatte zu besitzen. Aber gutes Storytelling verlangt die Einhaltung von Regeln, Kreativität, Kontinuität und kanalspezifischen Content.

Wie Storyteller vorgehen und was eine gute Story ausmacht, erfahren Sie in unserem Video-Interview mit „Storymaster“ Joachim Günster. Hier ein Script, das zur besseren Lesbarkeit an einigen Stellen leicht gekürzt und angepasst wurde:

Joachim Günster im Interview mit Ralf Dunker

Herr Günster, Ihr Leitspruch lautet: „No story, no business“. Ist das nicht etwas übertrieben?

Keinesfalls. Wahrscheinlich haben Sie schon mal von der Geschichte von Rotkäppchen gehört. Und ich vermute, das ist länger als zehn Jahre, 15 Jahre, 20 Jahre her. Und da muss man sich doch die Frage stellen: Warum kann man sich nach Jahrzehnten noch an so etwas erinnern?

Der entscheidende Unterschied zwischen einer Story und dem, was ich ZDF nenne – Zahlen, Daten, Fakten – ist, dass Zahlen, Daten, Fakten in unsere linke Hemisphäre gehen, kalkuliert und bewertet werden, und mit einer Story gehen wir in die rechte Hemisphäre und durch bis zum Herz. Und da verankern sich die Emotionen. Daran erinnern wir uns.

Und wenn irgendjemand kommt und will Ihnen etwas verkaufen, eine Dienstleistung, einen Service oder ein Produkt, der erzählt Ihnen dann, was das Ding kann, welche Leistungsdaten es hat, geht aus der Türe – und eine Viertelstunde später haben Sie das vergessen. Und deswegen sage ich: Ohne Story machen Sie kein Geschäft. Natürlich machen Sie ein Geschäft, aber kein wirkliches Geschäft. Weil es nicht hängenbleibt. Sie sind darauf angewiesen, jetzt Umsatz zu machen. Mit Stories geht das auch noch in zwei Tagen, zwei Wochen, zwei Jahren.

Storytelling lebt von einem Protagonisten und seinem Gegenspieler

Und was macht eine gute Story aus?

Eine gute Story hat immer verschiedene Elemente, die sein müssen. Das ist im Prinzip der klassische Dreiklang: Einleitung – um was geht es. Dann die Story an sich. Und dann das Ende. Und in diesem Bereich brauchen wir einen Protagonisten und einen Gegenspieler. Das ist der, den ich als Bösewicht bezeichne.

Deswegen erinnern Sie sich noch nach 50 Jahren an Rotkäppchen. Sie geht raus und dann kommt der Wolf und sagt: „Rotkäppchen, wohin des Weges?“. Das bleibt hängen.

Wenn man zum Beispiel über die Versicherungswirtschaft nachdenkt. Die kommen her und sagen: „Was passiert denn, wenn Sie morgen ein betrunkener Autofahrer anfährt?“ Die Versicherungswirtschaft hat den Bösewicht quasi adoptiert.

Muss es denn immer einen Bösewicht haben für eine Story?

Es muss eine emotionale Höhe haben, darum geht es. Wenn einer kommt und sagt: „Mein Ding kann das.“ Und dann kommt der nächste und sagt, es kann ein bisschen mehr…
Das ist keine emotionale Höhe. Emotionale Höhe bedeutet das!
[Er reißt dabei die eine Hand in die Höhe, so dass seine beiden Hände eine große Stufe darstellen.]
Und wenn wir das nicht haben, dann können wir uns nicht erinnern. Dann ist es wertlos.

Eine starke Eröffnung macht das Publikum aufmerksam

Braucht eine Story eine prägnante Eröffnung oder so etwas?

Ja, das ist der Teil, den wir als „starke Eröffnung“ bezeichnen. Wir alle werden doch von Informationen täglich befüllt, von überall schießen die Medien auf uns ein.
Also muss doch unsere Message, wenn wir etwas erreichen wollen, erst einmal herausstechen! Und deswegen brauchen wir eine starke Eröffnung. Irgendetwas, wo der Kunde sagt: „Momentmal, was ist denn da los?“.

Sie haben auf Rotkäppchen angespielt. Das bekommt man erzählt. In TV-Spots hatte man auch 15 Sekunden Werbezeit, wo man etwas reinpacken konnte. Aber wie funktioniert das heute mit den neuen Kanälen?

Storytelling der 1960er: die Soap Opera

Die 15 Sekunden Werbezeit waren ja auch schon der Schritt 2. Der Schritt 1 waren ja die sogenannten „Soap Operas“ in den 60ern. Dann wurde die Sendezeit immer wertvoller und zum Schluss wurden daraus 15 oder 30 Sekunden.

… und heute auf Twitter

Heute werden daraus einfach 140 Zeichen auf Twitter. Oder ein Facebook-Post. Oder ein kleines Youtube-Video. Es ist immer das Gleiche. Die Story hat immer einen Anfang, eine Mitte und ein Ende und braucht einen Bösewicht. Ja, es funktioniert. Es muss auf allen Kommunikationskanälen erzählt werden. Zwingend!

Herr Günster, Sie haben gerade den Begriff Storytelling benutzt, beschreiben aber Ihr Unternehmen oder sich als Storymaster. Was ist der Unterschied?

Nun, ich helfe Leuten, Stories zu erzählen, indem ich ihnen helfe, Stories zu entwickeln. Ich versetze meine Kunden in die Lage, gute Storyteller zu sein, weil sie auf eine Story trainiert sind. Eine Story, die für ihr Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen maßgeschneidert ist.

Ich entwickele diese Story und helfe den Kunden dann, sie wirklich auch ganzheitlich zu kommunizieren – über alle Kanäle.

Ich würde mich freuen, wenn wir das an anderer Stelle einmal fortsetzen und intensivieren könnten, und danke Ihnen für das Gespräch.