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Mit der Schreibmaschine ist das genauso wie mit dem Wählscheiben-Telefon: Sie ist ein echter Anachronismus. Eigentlich schade! Denn gerade, wenn es darum geht, sich zu strukturieren, ist sie ein gnadenloser Lehrmeister. Man muss sich schlichtweg vorher überlegen, was die Story ist und sie in einem Stück erzählen. Die Schreibmaschine erzieht aber nicht nur zur Struktur, sondern auch zur Konzentration. Möglichst keine Fehler machen, denn sonst heißt es „Tipp-Ex“ (auch so ein kaum noch gebräuchliches Produkt) – oder von vorne anfangen. All das scheint im Computerzeitalter verloren gegangen zu sein. Doch trotzdem oder gerade deswegen plädiere ich immer wieder: Schreibt, als ob ihr mit der Schreibmaschine schreiben würdet.

Analog erzieht

Als ich mit dem Journalismus angefangen habe, hat man die Artikel auf Zeilenpapier geschrieben. Eine Zeitungszeile hat beispielsweise im Schnitt 28 bis 35 Zeichen, dies war auf dem Zeilenpapier über senkrechte Linien vorgegeben. Damit wusste man genau, wann der Zeilenwechsel zu passieren hatte. Die Zeilen waren nummeriert und so konnte man leicht den vorgegebenen Textumfang einhalten, ohne die Anschläge mühsam zählen zu müssen. Ich lernte auf diese Weise schnell, auf Länge zu schreiben und den Artikel von vornherein so anzulegen, dass er passt. Später als ich im Hörfunk tätig war, half mir diese Erfahrung „auf Zeit“ zu schreiben: Egal ob ein 30- oder ein 60-Sekünder, beide waren so in einem Ruck durchgeschrieben – durchaus hilfreich, wenn man gleich live auf Sendung gehen muss.

Nicht gleich loslegen

Natürlich bedingt das Schreiben wie mit der Schreibmaschine, dass man manchmal auch etwas länger überlegt, was man da zu Papier bringen möchte. Der Vorteil: Wenn man die Idee der Story entwickelt hat, muss man sie nur noch aufschreiben – in einem Stück. In Summe kann der Geschwindigkeitsgewinn trotz Bedenkzeit beträchtlich sein. Denn in der Strukturierungsphase sitzt man ja nicht nur da und überlegt. Es bleibt Zeit, E-Mails zu bearbeiten, Telefonate zu führen oder auch einen Kaffee zu holen. Wenn es dann so weit ist, beginne ich gerne ganz von vorne mit der Headline.

Eine gute Geschichte braucht etwas Abstand

Die Idee für eine Geschichte in Ruhe zu entwickeln, hat einen weiteren Vorteil: Man löst sich von dem Aufschrieb, den man bei der Recherche gemacht hat, kann sich die Inhalte aus unterschiedlichen Sichten anschauen, hat Raum für Assoziationen und kann Zusammenhänge herstellen, die auch über das hinausgehen, was man mit seinem Input-Geber besprochen hat. Das wird noch schwerer, wenn man gar nicht mehr mitschreibt. Denn in Zeiten, in denen man alles schnell und einfach mit dem Handy mitschneiden kann, steht der O-Ton ja direkt zur Verfügung. Und die Versuchung ist groß, ihn zu transkribieren und daraus die Geschichte zusammenbasteln. Natürlich wird so nichts vergessen und auch alle Zitate sind originalgetreu wiedergegeben. Aber man läuft Gefahr, am O-Ton „kleben zu bleiben“. Ganz abgesehen davon, dass eine Transkription des gesprochenen Wortes mühsam und zeitaufwändig ist und man mitunter schon den Spaß am Schreiben der Geschichte verlieren kann.

Wichtig ist das, an das man sich erinnert

Ich halte es gerne mit der alten Journalistenweisheit: Die Inhalte, die man nach der Recherche noch im Kopf hat, sind die wirklich wichtigen. Sie bilden die Leitplanken für die Story. Klar braucht man bei komplexen Sachverhalten die Möglichkeit, auf die Notizen zurückgreifen zu können. Und wenn es um Fachthemen geht, in denen man nicht komplett zuhause ist, hilft auch ein Mitschnitt des Gesprächs. Aber dann reicht es, gezielt nachzuschauen oder nachzuhören. Und hier genieße ich gerne die Vorteile des Computerzeitalters: Denn wenn ich etwas nicht richtig wiedergegeben habe oder mir etwas entfallen ist, kann ich das einfach ergänzen – ohne das Papier aus der Schreibmaschine ziehen und von vorne beginnen zu müssen.