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In Agenturverträgen ist oft von Auftraggeber und Auftragnehmer die Rede. Zwei Wörter, die aus meiner Sicht ersatzlos gestrichen werden sollten. Denn sie stehen für ein völlig überholtes Weltbild. Stattdessen sollten wir eigentlich von „Prozessübergeber“ und „Prozessübernehmer“ sprechen. Zugegeben, das klingt eher grauenvoll. Aber es trifft das, was wir unter Übernahme der Prozessverantwortung verstehen.

Herrschaftliches Rollenbild

Die Beziehung von Auftraggeber und Auftragnehmer ist klar definiert, genau wie die Rollen des Herrn und seines Dieners oder des Generals und seines Adjutanten: Der Geber nimmt die aktive Rolle ein und entscheidet, wann er den Nehmer benötigt. Der wiederum wartet passiv, bis er einen Auftrag bekommt. Das mag in der allgemeinen Unternehmenskommunikation funktionieren, solange es um werbliche Themen wie Anzeigen, Broschüren oder auch um Werbeartikel geht: also um klar definierte Aufträge, die aus einem akuten Bedarf heraus entstehen. Der Auftraggeber weiß dabei genau, was er benötigt, und vor allem wann. Der Auftragnehmer ist allenfalls gefragt, wenn es um die grafische Ausgestaltung oder um Formate geht. Im Bereich der Medienarbeit ist dieses Vorgehen hingegen absolut ungeeignet. Zwar kann auch diese auftragsgetrieben gestaltet werden. Doch in der Regel wird diese Form der Zusammenarbeit kaum vom Erfolg gekrönt sein. Denn aus unserer Sicht ist Medienarbeit ein Prozess. 

Was ist ein Prozess?

„Unter Prozess versteht man die Gesamtheit aufeinander einwirkender Vorgänge innerhalb eines Systems. So werden mittels Prozessen Materialien, Energien oder auch Informationen zu neuen Formen transformiert, gespeichert oder aber allererst transportiert“, so die Definition in Gablers Wirtschaftslexikon. Übertragen auf die Medienarbeit bedeutet dies, dass im ständigen Austausch mit dem Kunden Informationen gesammelt, bewertet, verarbeitet und über die unterschiedlichen Kanäle zu den potenziellen Zielgruppen transportiert werden. Dieser Prozess hat seine Besonderheiten: So müssen die Informationen im Kontext des Unternehmens in eine Gesamt-Story eingebettet werden, denn die Alleinstellungsmerkmale und andere Besonderheiten eines Unternehmens müssen immer mittransportiert werden, egal ob es sich um eine Personalie, eine Produkt-Presseinformation oder einen Anwenderbericht handelt. Der „Prozessübergeber“ ist dabei gleichzeitig der „Input-Geber“. Bevor die Agentur den Prozess übernimmt, müssen sich beide Seiten einig sein, in welchen Kontext die Inhalte gestellt werden. Dazu ist ein ständiger Austausch notwendig. Anders als beim klassischen Outsourcing sind die Schnittstellen zwischen internen und externen Kräften deswegen fließend.

Prozessverantwortung

Damit der Prozess der Medienarbeit optimal funktioniert und maximale Erfolge zeitigt, müssen die Rollen sauber definiert sein. Vor allem der Planungs- und der Freigabeprozess stehen hier im Fokus. Die Planung der Themen startet mit einem Kickoff und wird dann über regelmäßige Treffen, Telefon- oder Videokonferenzen fortgeschrieben. Hier sind beide Seiten gefordert, denn es geht nicht nur darum, Meilensteine zu definieren, die Themen müssen „orchestriert“ werden: Sie müssen abwechslungsreich sein und entsprechend auf die Zeitachse verteilt werden. Verarbeitet man drei ähnliche Themen in Folge, läuft man Gefahr, dass nur eines publiziert wird und die anderen beiden im Papierkorb landen. 

Holschuld

Steht die Planung, übernimmt die Agentur: Sie muss sicherstellen, dass die Themen wie geplant umgesetzt werden. Da gehört auch, dass sich die Agentur den Input besorgen muss und nicht umgekehrt. Sie übernimmt damit die Holschuld und muss sich dabei gegebenenfalls auch gegen interne Widerstände durchsetzen. Denn der Inputgeber hat in der Regel wenig Zeit und setzt völlig andere Prioritäten. Ihm sind direkt wertschöpfende Tätigkeiten wie etwa die Betreuung seiner Kunden deutlich wichtiger, als der Agentur beispielsweise zu erklären, welche Eigenschaften ein neues Produkt hat. Prozessverantwortung bedeutet damit auch, sich bei der Informationsbeschaffung nicht ausschließlich darauf zu verlassen, dass der Kunde strukturierte Informationen liefert, sondern jede Gelegenheit nutzt, sich den Input proaktiv zu beschaffen, und sei es über ein Telefonat, während der Inputgeber im Auto zu seinem Kunden unterwegs ist. Oft sind auch die Kunden der Kunden selbst involviert, etwa bei Erfolgsmeldungen, Case Studies oder Anwenderberichten. Hier tut eine Agentur ebenfalls gut daran, die Aufwände für ihre Kunden zu minimieren. Sie müssen lediglich das Einverständnis ihres Kunden einholen und den Anruf der Agentur avisieren. Danach übernimmt die Agentur, recherchiert und schreibt die Story, stimmt sie zunächst mit dem Kunden und dann mit dem Kunden des Kunden ab, bis schließlich eine schriftliche Freigabe von allen Seiten vorliegt.

Prozessräume

Da der Output volatil ist und durch aktuelle Ereignisse jederzeit beeinflusst werden kann, müssen beide Seiten immer wissen, wie der aktuelle Stand in der Bearbeitung oder der Freigaben ist. Dazu bieten sich webbasierte Werkzeuge wie Trello oder Meistertask an, in denen das jederzeit nachvollzogen werden kann. Ist die Presseinformation versandt, der Artikel platziert oder die LinkedIn-Kampagne abgeschlossen, folgt das Reporting. Auch hier ist die Agentur verantwortlich zu dokumentieren, ob die vereinbarten Leistungen erbracht, unter- oder übererfüllt wurden. Das setzt eine transparente Preisgestaltung und Dokumentation voraus, die ebenfalls webbasiert erfolgen kann, etwa über Google-Docs. Am Ende geht es aber nicht nur darum, Leistungen zu erbringen, sondern darum, die Inhalte an die Zielgruppen des Kunden zu bringen. Deswegen gehört auch ein Reporting zu den erzielten Veröffentlichungen (Clippings) zur Prozessverantwortung sowie gegebenenfalls Auswertungen zu den Social-Media-Aktivitäten.

In Augenhöhe

Prozessverantwortung, wie wir sie verstehen, setzt auch voraus, dass unsere Kunden bereit sind, uns diese Verantwortung zu geben. Umgekehrt müssen wir uns eingehend mit den Themen unserer Kunden beschäftigen. Denn wir müssen in der Lage sein, mit unseren Kunden in Augenhöhe zu kommunizieren. Dazu müssen wir natürlich nicht alle technischen Details kennen. Aber wir müssen wissen, was der Kunde tut, wie und warum er es tut, wo der Nutzen für seine Kunden liegt und vor allem auch, wie der Markt tickt, in dem er sich bewegt. Füllen wir die Rolle aus, werden wir vom externen Dienstleister zum Partner, zur Pressestelle oder zum Pressesprecher. Nicht mehr und nicht weniger streben wir an.