Neulich in einem Biergarten am Donauufer –
Sie: „Wie wärs denn dieses Jahr mit Florenz?“
Er: „Ach, das wäre mal wieder was. Erinnerst Du dich noch an unsere Sommerfrische 1978 in Fiesole?“
Sie: „Oja, und an das Schmausen nach den Touren …“
Er: „Wären da nur nicht diese langhaarigen Radaubrüder gewesen!“
Sie: „Ach schau, die waren jung – so wie Du in deinen Flegeljahren.“ –
Sommerfrische? Schmausen, Flegeljahre? – Um heute derartigen Wörtern zu begegnen, muss man wohl Unterhaltungen älterer Semester lauschen oder die Klassiker der deutschen Spätromantik wieder lesen. In Zeiten von Facebook, Twitter usw. treten derartige – mitunter staubbedeckte – Wörter selten in Erscheinung. Heute spricht man eher von Urlaub, Ferien, Essen und Pubertät.
Dass einige Begriffe quasi aussterben, hängt oft auch vom Verschwinden der sie bezeichnenden Gegenstände, Tätigkeiten und Zustände ab. Wer weiß, wie lange noch die Bedeutungen von Schreibmaschine, Wählscheibe, Groschen und Kassettenrecorder bekannt sind? Zu Defätismus besteht dennoch kaum Anlass, denn auch heute sind Wörter wie Zügel, Geschmeide, Backfisch, Droschke, Ulk, Tand und Tüll und Flitterkram noch nicht ausgestorben. Stattdessen fristen sie ein Dasein fernab der gebräuchlichen Kommunikation, entweder in übertragenen Bedeutungen („sich zügeln“) oder in alten Büchern und Lexika („Labsal“).
Bisweilen lohnt es sich ja, die Angemessenheit eines angestaubten Worts zu überprüfen, um zu entscheiden, es wieder in den aktiven Sprachgebrauch zu übernehmen. „Flegeljahre“ scheint mir hierfür ein angemessener Kandidat zu sein, beschreibt es doch recht konzentriert die Eindrücke, die sich in Tuchfühlung zu jungen, in die Geschlechtsreife eintretenden Heranwachsenden ergeben. Pubertät klingt hingegen wie ein blasser medizinischer Fachbegriff.
Ob Musik-Combo geeignet ist, eine kleinere Gruppe von Personen zu beschreiben, die sich zum Zwecke des gemeinsamen Musizierens zusammengefunden haben, mag jeder selbst entscheiden. Schließlich gibt es aktuellere Ausdrücke wie Boygroup oder Band. Das gleiche gilt für Backfisch oder Teenie, Hagestolz oder männlicher Single, Dreikäsehoch oder kleiner Junge. – Ich jedenfalls achte seit der Donaubank-Unterhaltung (s.o.) verstärkt darauf, ob es für aktuelle Begriffe bereits identische oder ähnliche Begriffe aus früheren Zeiten gibt, zum Beispiel: Stöckelschuh, Billet, Schabernack, Volant, Injurie, Gendarm, Hupfdohle …
In Kulturpessimismus braucht deswegen niemand zu versinken. Da eine Sprache – im besten Falle – nicht die lexikalische Befolgung von Regeln ist, sondern im und durch den praktischen Gebrauch in vielfältigen Formen lebt, werden auch laufend neue Wörter geschaffen. Sei es durch Anglizismen, wie Streetfood, High Heels, Cloud und Likes, oder durch plastische Neuschöpfungen, wie Ballermann, Kopfkino, postfaktisch, Entschleunigung oder Blog.