Als mehr oder weniger junger Mensch mit einer generationsentsprechenden Affinität zu den sozialen Medien und einem ausgeprägten Interesse an der Geschichtswissenschaft hatte ich es in den letzten Jahren nicht immer leicht. Denn nicht nur Unternehmen aller Art und so gut wie jeder Prominente (bzw. wer sich so alles dafür hält) ist mittlerweile auf den diversen Social-Media-Plattformen vertreten. Auch unzählige Museen, Pädagogen und andere selbsternannte Geschichtsvermittler tummeln sich mittlerweile auf Instagram, Youtube und Twitter. Nun sollte man meinen, dass mich eine stärkere Präsenz von historischen Themen auf solchen Kanälen freuen würde – immerhin erreichen sie hier eine Zielgruppe, die nicht gerade dafür bekannt ist, bei Langeweile zu einem lehrreichen Buch zu greifen. Doch wie so oft liegt das Problem nicht im Medium begründet, sondern im Inhalt. Denn Geschichte passiert eben nicht einfach so, sie wird geschrieben. Und wer da im Internet so alles schreibt und was, ist nicht selten erschreckend.
Fahrlässige und böswillige Falschinformation
Um das Offensichtliche gleich vorwegzunehmen: Ja, die fürchterlichsten und dümmsten Beispiele hierfür finden sich bei allen Themen, die die Jahre 1933-45 betreffen. Wer eine gewisse Zeit auf Youtube verbracht hat, dürfte beispielsweise schon einmal auf eines der unzähligen Videos zum Zweiten Weltkrieg gestoßen sein, die der Algorithmus den Usern unerbittlich in die Recommendations zu spülen scheint. Im besten Fall handelt es sich hierbei um durchaus vernünftig recherchierte Doku-Formate mit relativ hohem Produktionsaufwand – die seit mehreren Jahren laufenden Videoserien von Indy Neidell sind hier etwa besonders hervorzuheben. Wesentlich häufiger hat man es jedoch mit lieblos zusammengeschusterten Machwerken zu tun, in denen die historischen „Fakten“ grob verzerrt oder gleich komplett erfunden sind. Immer wieder stolpert man hier zudem auch über Content-Creator, deren politische Gesinnung bei aller Begeisterung über die Taktiken von Erwin Rommel und Friedrich Paulus nicht besonders schwer zu erraten ist. Man mag sich nicht ausmalen, welchen Schaden diese Inhalte bei leicht zu beeinflussenden Teenagern anrichten können.
Aus meiner Sicht noch wesentlich ärgerlicher als irgendwelche anonymen User, die mit Unwissen oder böswilliger Falschinformation glänzen, sind jedoch Kanäle, die eigentlich als seriös wahrgenommen werden – und dann doch groben Unsinn verzapfen. So leistete sich etwa der altehrwürdige „Spiegel“ vor fast exakt zwei Jahren den Fauxpas, eine fehlerhafte Infografik zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zu posten. Statt der Roten Armee wurde hier mal eben das US-Militär zum Retter der KZ-Insassen ernannt. Natürlich kann so ein Fehler mal vorkommen, ärgerlich ist es dennoch. Doch es geht noch deutlich schlimmer, wie aktuell die Öffentlich-Rechtlichen beweisen.
Gut gemeint ist nicht gut gemacht
Mit dem ambitionierten Instagram-Projekt „Ich bin Sophie Scholl“ wagen SWR und Bayerischer Rundfunk gemeinsam den Versuch, die Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“ ins 21. Jahrhundert zu holen und für die Generation Z zugänglich zu machen. Die Idee hinter dem Account lässt sich schnell zusammenfassen: „Sophie Scholl“ postet Bilder, Stories und Reels aus ihrem Leben im München der frühen Vierzigerjahre und gibt sich dabei wie eine Person der Jetztzeit mit Anfang zwanzig. Eine Handvoll junger Schauspieler mimt hierbei die Scholls und ihre Mitstreiter und versucht, einen Mittelweg zwischen historischer Genauigkeit und modernem Habitus zu finden.
Was als Konzept zunächst spannend klingt und einen durchaus lobenswerten Gedanken verfolgt, scheitert in der Praxis allerdings so krachend, dass man es kaum glauben kann. Allem voran die Captions – sie vereinen unter den Bildern ein erstaunliches Maß an Fremdscham (oder „Cringe“ wie die Zoomer sagen würden) und fragwürdigen Aussagen in sich. So fragt sich Sophie einmal, was ihr geliebter Fritz wohl gerade so Spannendes in Russland erlebt und ob es dem Armen denn auch gut geht. Dass Fritz dort nicht im Urlaub ist, sondern gerade mit der Wehrmacht begeistert gen Stalingrad marschiert, kann man da ja mal vergessen. Das Ironische ist sicher, dass der echten Sophie Scholl dies vermutlich auch nicht so wichtig war. Aber deswegen muss man diesen Umstand ja nun nicht in einem öffentlich-rechtlichen „Bildungsangebot“ unkritisch reproduzieren.
Es geht auch anders
Glücklicherweise stehen solchen Ausfällen auch wirklich hervorragende Beispiele für Geschichtsvermittlung im Internet gegenüber. Einige der größten und traditionsreichsten historischen Museen der Welt unterhalten beispielsweise inzwischen ansehnliche Social-Media-Profile, die nicht nur informativ, sondern auch ansprechend aufgemacht sind. Vorbildhaft ist hier unter anderem das British Museum. Es zeigt auf seinem Youtube-Kanal, wie Exponate auch außerhalb von Ausstellungen spannend in Szene gesetzt werden können. Doch auch ohne teures Equipment und einen großen Namen kann der Geschichte im Internet eine Bühne geboten werden. Als zwei von vielen positiven Beispielen sollen an dieser Stelle der Instagram-Account „Propagandopolis“ und das Twitter-Projekt „Working Class History“ genannt werden. Das eine postet historische Propaganda-Plakate mit entsprechender Einordnung, das andere tweetet jeden Tag über aktuelle Jubiläen der Arbeiterbewegung wie Streiks etc. Sie beweisen eindrucksvoll, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit der Vergangenheit auch in den sozialen Medien möglich ist.