Es gibt wahrscheinlich niemanden, der in den letzten zwei Wochen nicht darüber gelesen hat: Der Mischlingshund Flecki ist verschwunden. Seine Besitzer campieren tagelang auf dem Rastplatz, an dem der Hund entlaufen ist und hoffen darauf, dass er wiederkommt. Landesweit berichten Medien über dieses „Ereignis“. Warum eigentlich?
Der ursprüngliche Post auf Facebook vom 20. Juli bringt es bis heute auf 5.328 Shares – für eine „Tier-Vermisstenanzeige“ beachtlich. Dennoch kommt er bei weitem nicht an die erfolgreichsten Social Media Posts heran. Von dem was aber kurz darauf passiert, träumt so mancher PR-Berater: Die Flecki-Story verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die Medienlandschaft der Republik. Gleichermaßen in Social Media wie in Print- und Onlinemedien. Von BILD über FAZ und Welt bis Focus, Süddeutsche Zeitung, ntv oder Sat1 Frühstücksfernsehen – es scheint so, als ob man als Redakteur nicht um diese Geschichte herumkommt. Täglich wird über Fortschritte berichtet. Die Hundebesitzer, der Tierrettungsdienst, Anwohner und Experten werden befragt, die kleinsten Aspekte zusammengetragen. Knapp zwei Wochen lang ist die Story ein Dauerbrenner. Und auch wenn es viele vielleicht nicht verstehen können, der Grund dafür ist ganz einfach: Die Geschichte spricht direkt unser limbisches System an, also genau die Region unseres Gehirns, die für Emotionen zuständig ist. Ein schutzbedürftiger Hund irrt im Wald umher und seine Besitzer hängen so an ihm, dass sie kurzerhand beschließen auf dem Rastplatz zu campieren, bis er wiederkommt – sie haben ihn von ihrem Urlaub mitgebracht und damit schon ihre Tierliebe gezeigt. Das geht direkt ins Herz. Weckt unser Mitgefühl und unsere Empathie aber auch unseren Beschützerinstinkt. Im Fall von Flecki möchte jeder den armen Hund retten und den zwei Campern helfen, ihren Liebling wiederzufinden. Kein Wunder, dass landesweit Medien über die Suche berichten und vor Ort hunderte von Helfern nach Flecki suchen.
Oh, wie süß…
Alle guten Storys bedienen sich ähnlicher „Emotions-Zutaten“. Genau diese machen auch ein anderes Phänomen in Social Media erfolgreich: Den sogenannten „Cat Content“ – also die vielen viralen Videos rund um zuckersüße, tollpatschige, manchmal auch arrogante Katzen und Katzenbabys. Fragt man, schaut die Videos eigentlich keiner bzw. macht sich jeder über deren Faszination lustig. Merkwürdig, denn wenn keiner schaut, warum kursieren die Videos in nahezu jeder unserer Timelines? So natürlich auch in meiner. Und ich ertappe mich immer wieder dabei, ganz verzückt auf meinen Bildschirm zu starren – ok, vielleicht auch weil ich selbst einen Kater habe. Manchmal, aber nur ganz selten, teile ich auch eins dieser Videos. Das Prinzip „Cat Content“ funktioniert natürlich nicht nur mit Katzen, sondern auch mit Hunden, Affenbabys oder Elefanten. Hauptsache der Inhalt berührt uns emotional – bringt uns einfach nur zum Lachen oder treibt uns vor lauter Rührseligkeit Tränen in die Augen.
Social Media first
Aber nun zurück zur Berichterstattung über Flecki und seine Besitzer. Ein weiterer Grund für den Medienrummel ist, dass man heute fast schon bei allem was passiert sagen kann, es gilt der Grundsatz „Online first“ bzw. „Social media first“. Die Meldungen von Tageszeitungen & Co. werden zuerst auf der eigenen Webseite online gestellt, dann in Sozialen Netzwerken gepostet und verbreiten sich somit quasi in „Echtzeit“. Die „Zweitverwertung“ der News erfolgt dann häufig am nächsten Tag im Offline-Medium. Deswegen lese ich Beiträge, die mich heute per Facebook-Post zum Online-Artikel führen, am nächsten Morgen in der Zeitung. In Social Media jedoch verbreiten sich die Nachrichten wesentlich schneller und gewinnen durch die Höhe an Likes und Shares an Bedeutung. Ich denke, das war bei der Flecki-Story der Fall: Auf einen Post, der den Nerv der Netzgemeinde traf, folgten vor allem Shares und am Ende hatten gleichermaßen private Nutzer wie Medien die Nachricht geteilt. Für den in Social Media erfolgreich gelaufenen Post, war dann der Sprung in die klassischen Medien wie Print, Hörfunk und TV nicht mehr weit. In der Vergangenheit gibt es genügend solcher Beispiele, unter anderem der tierische Youtube-Star „Grumpy Cat“ – man könnte fast sagen, die Mutter allen „Cat Contents“. Das grimmig dreinschauende Kätzchen machte ihre Besitzer reich und schaffte es sogar in die Tagesschau.
Happy End
Flecki ist übrigens wieder da – zum Glück! Aber das haben Sie per Social Media oder die Tagespresse bestimmt schon mitbekommen. Wir sind gespannt, ob es eine Fortsetzung der Story geben wird. Ich kann es mir gut vorstellen. Denn wir lieben Fortsetzungen, wie der aktuelle Serien-Hype beweist. Ach ja, und dann ist gerade noch Sommerloch – eine Zeit, in der jeder Redakteur dankbar für Themen ist, mit denen er seine Leser, Hörer oder Zuschauer bei Stange halten kann.
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