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happy seat is happy

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Ich bin Bahnpendler und gehöre damit zu dem Teil der Bevölkerung, die das Wohl und Wehe ihres Arbeitswegs in die Obhut der Deutschen Bahn legen. Täglich steige ich in verschiedene Züge, die meinen bayerischen Wohnort in der Nähe von Augsburg mit der Ulmer Agentur in Baden-Württemberg verbinden – oder es zumindest versuchen. Dieses Hin und Her summiert sich aus entfernungstechnischer und nervlicher Sicht entsprechend. Deshalb folgt hier zunächst eine kleine Aufstellung für alle Statistikfreunde:

 

Zeitraum: 1. Juni 2011 bis ∞

Häufigkeit, mit der ich diese Strecke mit dem Auto gefahren bin: maximal vier Mal

Kilometer, die ich jährlich auf Schienen für den Arbeitsweg zurücklege: rund 50.000

Dafür anfallender zeitlicher Aufwand, jeweils von Haustüre bis Haustüre: mindestens vier Stunden am Tag, Verlängerungen sind auf der nach oben offenen Zuverlässigkeitsskala der Bahn flexibel möglich

Bislang in Zügen verlorene Gegenstände: zwei Taschenschirme

Über das Suchportal der Bahn eingegebene und wiedergefundene Gegenstände: 0

Verlorene Feiertage aufgrund der Arbeitstätigkeit in einem anderen Bundesland: 1 (Maria Himmelfahrt, 15. August)

Davon von meinem Chef erstattete Urlaubstage: 0

„Versehentlich“ im Zug eingeschlafen und erst wieder in Paris oder Hamburg aufgewacht: im Traum im zweistelligen Bereich, in Wirklichkeit 0 – leider 😉

Die Vorteile des Zugreisens sind in erster Linie in der Stressfreiheit, der – im Vergleich zum PKW – besseren Ökobilanz und natürlich im Fahrkomfort zu finden. Dazu kommen noch die zahlreichen auf die Bahnkunden zugeschnittenen Angebote, die moderat bepreist von freundlichen Angestellten offeriert werden. So sieht zumindest die Idealvorstellung der Bahn aus. Die Praxis gestaltet sich meist etwas anders, aber davon will ich jetzt nicht anfangen. Auch nach fast drei Jahren höre ich immer wieder neue Begründungen für Verspätungen, schwitze im Sommer bei defekten Klimaanlagen und friere im Winter wegen ausgefallener Heizungen aufgrund der „extremen Wetterbedingungen“, die seltsamerweise jedes 30 Jahre alte Auto problemlos meistert.

Ich benutze meine täglichen Zugfahrten hauptsächlich zum Arbeiten. Dazu nehme ich mir Texte zum Korrigieren mit oder schreibe selber welche. Doch damit fangen die Probleme meist schon an.

Wo ist der Strom? Ach, wieder nur oben in der Leitung?

In Regionalzügen und Euro-/InterCity-Modellen älterer Baureihen sind Steckdosen Mangelware. Was in ersteren überhaupt nicht vorhanden ist, findet man in zweiteren nur an den Sitzen mit einem Tisch. Nach und nach werden zwar auch diese Züge mit neueren Stuhlgarnituren modernisiert, die dann – wie im ICE – eine Steckdose an jedem Platz haben. Leider verkehren diese nur selten auf meiner Strecke. Die Existenz einer Steckdose bedeutet darüber hinaus nicht, dass auch wirklich Strom vorhanden ist – also im Zug, darüber ist ja immer meist genügend da. Das Arbeiten ist daher möglich, setzt aber einen gut gefüllten Akku voraus. Am besten bleibt man dabei allerdings offline, denn alles andere strapaziert nur das Nervenkostüm.

Hallo? Hallo, hören Sie mich?

Wer wie ich zwischen Städten wie Augsburg und Ulm pendelt und daher offensichtlich in einem eher dichter besiedelten Teil Deutschlands unterwegs ist, kommt sich aus kommunikativer Sicht trotzdem vor wie bei einer Fahrt durch kasachische Steppen (womöglich tue ich diesen jetzt Unrecht! Dort gibt es sicherlich LTE im Doppelpack). Denn obwohl es sich um eine ICE-Strecke handelt, ist hier kein durchgängiger Telefonempfang möglich und daher gibt es auch keine zuverlässige Internetverbindung.

Einen Vorteil hat es allerdings: Dadurch bekomme ich bei meiner täglichen Fahrt die komplette Bandbreite moderner Verbindungsmöglichkeiten mit und erlebe den aktuellen Stand des Breitbandausbaus in Deutschland hautnah:

Kein Empfang wie … Kein Empfang oder „Technologiestandort Deutschland“

E wie „Elend langsam“

3G wie „Geht Gut Genug“

LTE wie „Leider Total Exklusiv“

Daraus resultiert ein interessantes Phänomen: Da sich der Zug (meist) recht zügig bewegt und sich die Möglichkeiten einer Verbindung auf bestimmte Bereiche und damit wenige Kilometer Fahrt begrenzen, ist hier Schnelligkeit und Vorausplanung gefragt. In der Realität sieht das so aus: E-Mails schreibe ich ab der Abfahrt in Ulm vor, denn nach dem Tunnel ist man meist sowieso offline. Dafür habe ich locker Zeit bis über Günzburg hinaus, denn hier gilt „E“ und der Versand von Mails ist auch dort noch zwecklos. Im Bereich von Burgau erwische ich dann meist die eine oder andere „3G“-Blase und für einige wenige kostbare Sekunden sogar „LTE“. Das bedeutet: Schnell raus mit den Mails! Denn im Bereich der Augsburger Wälder sowie bis zum Hauptbahnhof wechselt der Empfang dann mit sinkenden Bandbreiten munter durch.

Bei einer Fahrt mit dem ICE habe ich zwar theoretisch W-Lan, aber auch hier gilt das bereits angesprochene Prinzip Steckdose: W-Lan ist zwar da, aber das heißt nicht, dass es auch Internet gibt. Die ergebnislosen Verbindungsversuche nagen zudem kräftig am Akku, aber dafür ist ja an jedem Sitz eine Steckdose und da bekomme ich wiederum Strom … (Sie finden den Fehler in meiner Logikkette, oder? 😉 )

Mein Kollege Bruno Lukas fragte mich zufällig letzte Woche, wie lange ich mir das denn noch antun wolle. Gute Frage. Klar nervt es mich das eine oder andere Mal, wenn mir ein Zug aufgrund einer Verspätung vor der Nase wegfährt und ich dafür immer in denen sitze, die auf andere warten und daher später losfahren. Eine Fahrt auf der Autobahn zu einem bahninkompatiblen Termin zeigt mir dann stets, dass ich das auch nicht mehr haben will. Im Zug ist man in seiner Bewegung zwar noch fremdbestimmter als in einem Auto, aber alles in allem doch bequemer unterwegs. Man muss seine Zeit eben entsprechend nutzen oder kann auch nur mal die Augen schließen und träumen über neue Texte und Kommunikationsstrategien nachdenken.

Ach ja, geschrieben wurde dieser Blogbeitrag natürlich ebenfalls im Zug, auf dem Weg zur CeBIT nach Hannover. Addieren Sie daher einfach weitere 1.200 km für die Hin- und Rückfahrt.