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Folgende Situation dürfte den meisten PR-Profis bekannt vorkommen: Der Kunde kündigt vollmundig ein spannendes Projekt oder einen interessanten neuen Anwender seines Produkts an und wünscht sich hierzu eine Pressemitteilung, Case-Study oder wenigstens einen Blogbeitrag. Schon kurz darauf trudelt der versprochene Input dann auch per Mail ein – so weit so gut. Der erste flüchtige Blick auf den Anhang lässt aber bereits Böses erahnen. Zwei PDFs, eine unfertige PowerPoint-Präsentation und ein 15 Kilobyte großes Jpeg sind nicht unbedingt das, was man sich erhofft hatte. Im besten Fall hat man nun noch genügend Zeit, um zusätzliche Informationen anzufordern oder ein Gespräch mit einem der Verantwortlichen zu führen. Ist dies jedoch nicht der Fall, etwa weil eine unverrückbare Deadline kurz bevorsteht, ist Kreativität gefragt. Zeit für eigene Recherche.

Manchen mag schon allein die Vorstellung, den entscheidenden Fakten für ihre Arbeit auch noch selbst hinterherstöbern zu müssen, ein genervtes Schnauben entlocken. Ich persönlich halte das Selbst-Recherchieren jedoch für eine der wichtigsten (und unterhaltsamsten) Aufgaben im PR-Alltag. Natürlich kann es – besonders an stressigen Tagen – auch von Vorteil sein, alles Wissenswerte auf dem Silbertablett serviert zu bekommen und direkt loslegen zu können. Doch nichts hilft so sehr, ein Thema wirklich zu verstehen, als es sich eigenständig erschließen zu müssen. Ohne Frage ist ein wenig Starthilfe immer sinnvoll und willkommen. Liest man sich etwa in die Feinheiten einer Branche ein, schadet es nicht, wenn zumindest die Grundbegriffe nicht mehr nach Quantenphysik klingen. In manchen Wirtschaftszweigen, wie der Gastronomie oder der Kulturbranche, mag dies kein Problem sein, da man auch als Laie regelmäßigen Bezug zu diesen hat. Andere Themengebiete sind jedoch durchaus fordernder für Wortschatz und Verständnis (Grüße an die Energiewirtschaft).

Der Wissensschatz des WWW

Um sich derartiges Wissen anzueignen, ist heute glücklicherweise nur selten ein Besuch in Büchereien oder Archiven notwendig. Wenn das Thema der Recherche nicht zu speziell ist, bietet das Internet mittlerweile eine schier unüberschaubare Fülle von Informationen. Ich möchte hier gar nicht schlecht über das klassische Durchforsten von Büchern und Fachzeitschriften sprechen, im Gegenteil. Bedrucktes Papier ist auch im Jahr 2022 eine hervorragende Quelle für gesicherte Fakten und Fachkenntnisse aller Art und in vielen Branchen hat Print die Nase noch immer vorn. Doch die Online-Recherche bietet im Arbeitsalltag entscheidende Vorteile: Eine Anfrage in der Suchmaschine des Vertrauens und schon steht einem ein Wissensschatz zur Verfügung, der die Bibliothek von Alexandria vor Neid erblassen ließe. Das World Wide Web ist den antiken Papyrusrollen jedoch nicht nur quantitativ überlegen.

Auch in Sachen Effizienz ist die Recherche im Netz weit voraus. Wikipedia und Co. erlauben, alle erdenklichen Infos innerhalb von Sekunden vor sich zu haben, ohne auch nur den Schreibtisch verlassen zu müssen. Selbstverständlich hat die Recherche im Internet aber auch ihre Tücken. Wer in den letzten 20 Jahren eine weiterführende Schule oder ein Proseminar an der Universität besucht hat, dürfte mehr als einmal mit erhobenem Zeigefinger davor gewarnt worden sein, Online-Quellen voreilig Glauben zu schenken. Eine gewisse Medienkompetenz ist hier also Pflicht (oder zumindest von Vorteil). Jedoch gilt dies meines Erachtens ebenso für Print, Radio und Fernsehen.

Sich das Thema aneignen

Worin liegt nun aber der angedeutete Spaß an der Recherche? Für mich, als ausgewiesenem Fan von Knobel-Spielen (aktuell halten mich Wordle, Worldle und Tradle in ihrem Bann) liegt der Reiz vor allem in der Herausforderung, ein komplexes Thema, mit dem man zuvor wenig bis keine Berührungspunkte hatte, selbstständig aufzudröseln. Als ich beispielsweise vor einigen Monaten erstmals über ein branchenspezifisches Software-Produkt eines unserer IT-Kunden schreiben sollte, brachte ich so gut wie kein Vorwissen mit – bisher hatten hauptsächlich Kaffeemaschinen und Hochdruckreiniger meine Press’n’Relations-Laufbahn begleitet. Beim Verfassen des ersten Textes war entsprechend Google mein bester Freund. Ich recherchierte jeden Fachbegriff im Input, den ich nicht zu 100 Prozent verstand. Erst wenn ich das Gefühl hatte, ein Konzept oder einen Zusammenhang wirklich erfasst zu haben, flossen diese in den Text ein. Was nach mühseliger Sisyphos-Arbeit klingen mag, zahlte sich letztendlich aus. Von Anfang an arbeitete ich mit einem wertvollen Grundverständnis für das Thema und die Branche, wodurch ich freier und sicherer schrieb.

Natürlich ist diese Herangehensweise kein Muss. Ich persönlich fühle mich beim Schreiben jedoch deutlich wohler, wenn ich die jeweilige Thematik umfassend einschätzen kann und auch mit Details vertraut bin. Kurzfristig bedeutet dies zwar einen gewissen Mehraufwand für die Einarbeitung, bietet langfristig jedoch nur Vorteile. Nicht nur fallen Pressemeldungen und Anwenderberichte wesentlich leichter, wenn man den gelieferten Input mit eigenem Wissen anreichern kann. Eigene Ideen zu entwickeln und dem Kunden vorzustellen, wird ebenfalls deutlich einfacher. Sieht man die Recherche dann noch als spannende Herausforderung, anstatt als lästige Pflicht, kann nichts mehr schiefgehen.