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Mitten im lauten Markt-Treiben in Covent Garden bekommt meine Tochter eine Push-Benachrichtigung, bleibt stehen, holt das Smartpohne raus, macht ein Bild, schaut auf den Bildschirm, lacht und packt das Telefon wieder weg. Nun ist ja bekannt, dass Smartphones zur Generation Z – auch Digital Natives 2.0 genannt – gehören wie der grüne Smoothie aus regional angebautem Gemüse in Bioqualität. Diese Aktion lies mich jedoch die Augenbrauen (ja, beide) heben, denn beim Vintage-Shopping ist Töchterlein in der Regel in ihrer ganz eigenen Welt und bekommt um sich herum nichts mit. So habe ich „BeReal“ kennengelernt: Eine neue Foto-App, die gerade bei der Gen Z durch die Decke geht.
 
BeReal wurde 2020 vom französischen Video-Produzenten Alexis Barreyat ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um eine Fotosharing-App, mit der die Nutzer einmal am Tag ihr „echtes“ Leben mit Freunden teilen. Den Zeitpunkt gibt die App vor, der komplette Freundeskreis erhält zu einer beliebigen Uhrzeit eine Push-Nachricht und hat dann zwei Minuten Zeit, ein Foto zu erstellen. Dieses wird sowohl mit der Front- als auch der Hauptkamera aufgenommen, wodurch ein „Bild-im-Bild“ entsteht. User zeigen also nicht nur, wie sie im Moment aussehen, sondern auch was sie machen oder wo sie sich gerade aufhalten. Um das Bild zu sehen, müssen die anderen aber ebenfalls ein Bild hochladen. Das Ergebnis ist wirklich lustig – zumindest bei den Leuten, die nicht jeden Tag im Büro sitzen. Die in der Gruppe verschickten Bilder bleiben ähnlich wie bei Snapshot-Stories lediglich für 24 Stunden sichtbar. Es gibt zwar keine Chatfunktion bei BeReal, aber man kann die Bilder mit „RealMojis“ bewerten. Fotos, die außerhalb des Zeitraums gemacht und hochgeladen werden, sind mit einem „Late“ gekennzeichnet. Sie könnten somit inszeniert sein.

Influencer-Perfektionismus ade

Für eine aufwendige Inszenierung und Filterretusche bleibt bei BeReal nicht nur keine Zeit, es ist auch gar nicht erwünscht. Gerade die ungestellten Bilder machen hier den Reiz aus. Weg von der durchgestylten Bildkomposition hin zur Authentizität: Eine Generation, die seit Jahren täglich von ästhetischen Influencer-Stories geflutet wird, hat wohl von dieser „perfekten“ Welt die Nase voll. BeReal-User entscheiden, ob nur Freunde die Bilder sehen dürfen, oder auch die ganze Welt. Bleibt man aber in der eigenen Community steht man jeden Tag ganz unkompliziert mit seinen Lieben im Kontakt – auf eine Art und Weise, die hervorragend in das Leben der Gen Z passt.

Irgendwas ist ja immer

BeReal ist für Kinder ab 13 Jahren zugelassen und solange die ihre Bilder lediglich mit ihren Freunden teilen, dürfte die App auch für die ganz jungen Nutzer kein Problem darstellen. Man kann die Fotos aber eben auch mit der ganzen Welt teilen – und dann wird es schwierig. Es ist sagen wir mal suboptimal, wenn die Teenager-Tochter Bilder aus dem Schwimmbad oder vom Schulweg teilt und damit auch gleich verrät, wo exakt sie sich befindet. Die Gefahren sind bei dieser App am Ende dieselben, wie bei Instagram, Facebook & Co.

Fazit

BeReal macht Spaß. Allerdings hat sich aus meinem Freundeskreis bisher noch niemand die App heruntergeladen. Dabei steigen die User-Zahlen derzeit immens an: Seit Anfang des Jahres 2022 sind die monatlich aktiven Nutzer um 315 Prozent gestiegen. Bis BeReal auch in meiner Generation ankommt, muss ich eben meinen Blick in den Alltag mit meiner Tochter teilen und das finde ich eigentlich ganz angenehm.