Frauen nehmen erstmals offiziell am Umzug der Zünfte teil
Heute findet in Zürich das Sechseläuten statt, ein dreitägiges Frühlingsfest, welches unterschiedliche Brauchtümer miteinander verbindet: Zum einen wird mit dem Verbrennen des „Bööggs“, eines überdimensionierten künstlichen Schneemanns, wie bei anderswo üblichen Feiern zur Tagesundnachtgleiche der Winter ausgetrieben. Zum anderen ist der dritte Montag im April der grosse Tag der Zürcher Zünfte, die sich der Öffentlichkeit in ihren historischen Kostümen präsentieren. Dabei führt ein Umzug der Zünfte und derer Ehrengäste zu Fuss, hoch zu Ross und in Pferdekutschen sowie begleitet von Musikkapellen durch die Bahnhofstrasse und über das Limmatquai zum Sechseläuteplatz beim Bellevue am See. Hier angekommen, umkreisen die Reitertruppen der Zünfte dreimal den brennenden Böögg. Die Dauer bis zu dem Knall, mit welchem der Kopf des Bööggs explodiert, soll dabei den Sommer voraussagen: Je schneller das Symbol des Winters den Kopf verliert, desto schöner soll der Sommer werden. Seinen Namen (im Zürcher Dialekt „Sächsilüüte“ genannt) verdankt das Fest dem erstmaligen Läuten der Abendglocke des Grossmünsters am ersten Montag nach der Tagundnachtgleiche um 6 Uhr Abends, nachdem früher im Winter jeweils bereits um 5 Uhr Arbeitsschluss war.
Das Sechseläuten ist mit dem im September stattfindenden Knabenschiessen ein Stadtfest, welches regelmässig für Diskussionen sorgt, macht doch das Fest nicht allen Freude, sondern provoziert auch Öffentlichkeit und Politik. So kritisieren Linke, Autonome, aber auch unpolitische Anhänger wie beispielsweise Vertreter der Technoparty Streetparade regelmässig die Zurschaustellung eines männerbündischen Benehmens, das Rückständigkeit und Standesdünkel vereint. Dieses Jahr jedoch kommt es zu einem regelrechten Bruch mit der Tradition. Denn seit Jahren stand im Fokus der öffentlichen Diskussion nicht nur die ungleiche Behandlung gegenüber Festivitäten aus dem linken Lager, wie etwa die Feier zum 1. Mai, sondern hauptsächlich, dass die Zünfte Frauen am Umzug offiziell nicht akzeptieren. So sind Frauen zwar traditionsgemäss als Ehrengäste oder Blumenwerferinnen geduldet, allerdings durfte bis zu diesem Jahr die Zürcher Frauenzunft der Gesellschaft zu Fraumünster offiziell nicht teilnehmen. In den letzten Jahren gelang es ihr allerdings durch Kniffe, Teil der Festivitäten zu sein. So durfte sie beispielsweise vor dem offiziellen Umzug oder als Gast einer Zunft mitlaufen.
Dieses Jahr jedoch ist die hartnäckige Frauenvereinigung erstmals offiziell am Umzug vertreten, nachdem erst noch in 2014 Exponenten einiger Zünfte mittels einer Umfrage versucht hatten, die Frauenzunft ein für alle mal vom Festakt auszuschliessen. Einher geht die Änderung mit dem Rücktritt des Präsidenten des Zentralkomitees der Zürcher Zünfte, welcher „Platz macht für neue Themen und Ideen“, wie er sich kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung zitieren liess. Genaugenommen handelt es sich allerdings (noch) um eine Kompromisslösung, dürfen doch Frauen nach wie vor nicht am sogenannten „Auszug“ teilnehmen, bei welchem die Zünfte nach dem Verbrennen des Bööggs und gestärkt von einem Nachtessen in ihren Zunfthäusern durch die Strassen ziehen, Platzkonzerte abhalten und sich gegenseitig in ihren Zunftstuben besuchen. Frauen spielen also zwar heute im Licht der Öffentlichkeit offiziell am Sechseläuten mit. Ihre Rolle beschränkt sich aber nach wie vor hauptsächlich darauf, für Kostüme und Verpflegung besorgt zu sein – und das im Hintergrund. Teil des eigentlichen Treibens der Zunftherren, welches regelmässig begleitet von viel Alkohol bis in die Morgenstunden dauert, sind sie aber nach wie vor nicht und werden sie wohl auch in absehbarer Zeit nicht sein.
Weitere Informationen unter www.sechselaeuten.ch.
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