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Beim Durchblättern, -klicken und -scrollen deutscher Tageszeitungen in den letzten Wochen ist mir aufgefallen, daß ein traditionelles Element des deutschen Sommers fehlt. Ich spreche nicht von schlechtem Wetter, übermäßigem Regen oder Staumeldungen auf deutschen Autobahnen und Blockabfertigung vor Ländergrenzen. Nein, ich frage mich: Wo ist das berühmte Sommerloch in den Medien geblieben?

Wo sind sie hin, die ausgebüxten Tiger, Löwen, Schlangen, Krokodile und Wildschweine, die durch mehr oder weniger besiedelte Gegenden marodieren? Wurden die Sicherheitsvorkehrungen deutscher Zoos und Tiergehege verbessert? Auch die fehlenden Berichte über Sichtungen von Nessie in schottischen Gewässern oder über Rekorde in Größe und Gewicht von Obst und Gemüse im heimischen Anbau sind auffällig. Ich erinnere mich noch an Sommerpraktikazeiten, in denen ich nach der dicksten Gurke oder der am weitesten gereisten Brieftaube fahnden musste, um die Lokalseiten des nächsten Tages zu füllen. Kleiner Tipp am Rande: Die weltweit größen, dicksten und schwersten Kürbisse sind zur Zeit in Ludwigsburg zu sehen.

Das „Sommerloch“, wie es in den Medien genannt wird, bezeichnet in der Berichterstattung ja eine Zeitspanne, meist in den Sommermonaten, in der aufgrund von Ferien, Urlaubszeit und parlamentarischen Sommerpausen weniger bedeutende Nachrichtenereignisse stattfinden. In dieser Zeit mangelt es häufig an aktuellen, wichtigen Themen, weshalb Medien oft auf weniger relevante oder unterhaltsame Nachrichten zurückgreifen müssen, um ihre Seiten, Sendungen oder Programme zu füllen. Diese Geschichten umfassen tierische, skurrile und kuriose Ereignisse, leichte Unterhaltung wie Klatsch über Prominente sowie ungewöhnliche Hobbys und Freizeitaktivitäten. Auch Berichte über Hitzewellen, Unwetter und andere Wetterphänomene sind beliebt. Und da es oft an internationalen oder nationalen „großen“ Nachrichten fehlt, konzentrieren sich viele Medien verstärkt auf lokale oder regionale Themen, wie die z.B. die Waschbärenplage in Kassel oder die erwähnte Kürbisausstellung, die sogar auch im überregionalen Deutschlandteil Erwähnung finden. Glücklicherweise gab und gibt es ja die Olympiade und die Paralympics in Paris, die Konzerte von Taylor Swift und Adele, das Wacken Open Air, die Salzburger Festspiele, Bayreuth usw.

Hier in Ulm haben die Medienleute übrigens keine Probleme, das Sommerloch mit Themen zu füllen. Überall wird gebaut°: Glasfaserverlegungen, Renovierung des Hauptbahnhofs, Sanierung von Straßenbahnlinien und Brücken sowie Umbauten von Tunneln und Straßen aufgrund der Landesgartenschau 2030. Auch der Bau neuer Wohnungen läuft auf Hochtouren. Vielleicht ist das ja ein kleiner Trost für die aus diesen Gründen jetzt oft im städtischen Stau steckenden PKW- und Nutzfahrzeug-Lenker jedweden Geschlechts: Für aktuellen Lese- und Diskussionsstoff ist ebenso gesorgt wie für Aufregungs- und Entrüstungspotenzial, und das sogar über den Sommer hinaus.

° Mit Neu- und Umbauten sind die Ulmer Bürger und Bürgerinnen ja bestens vertraut, wie der Bau des „Ulmer Stadthaus“ und die Neugestaltung der „Neuen Mitte“ samt Kunsthalle Weishaupt zeigen. Nicht zu vergessen das Ulmer Münster, dessen Bau 513 Jahre nach der Grundsteinlegung im Jahr 1377 mit der Fertigstellung des höchsten Kirchturms der Welt 1890 vollständig abgeschlossen wurde. Die reine Bauzeit betrug übrigens – aufgrund von Unterbrechungen durch finanzielle Probleme, Kriege und andere historische Ereignisse – 212 Jahre. Ein Leben inmitten baulicher Provisorien gehörte damals zum Alltag der Ulmer Einwohner. Und jetzt langsam wieder.