Neulich erhielt ich eine Email von Eric Cheung. Wer das ist? Keine Ahnung. Interessierte mich in dem Moment auch nicht. Ich war mit dem Inhalt seiner Nachricht beschäftigt: „Lasst uns Geschäfte machen zusammen 20,5 Mio. USD wert, antworten Sie bitte mich für weitere Informationen“. Statt mich zu freuen, dass jemand mit mir „Geschäfte zusammen machen will“, bekam ich die klassische „Internet-User-Panikattacke“ beim Anblick einer dubiosen Mail: Warum hat mein Spam-Filter nicht angeschlagen? Ist der Rechner schon mit Viren verseucht? Wo ist meine Firewall? Woher haben die meine Adresse? Will die NSA mich abhören? – Halt. In meinem Kopf imaginierte sich das Bild eines Herr Cheung, der irgendwo auf der Welt (ja gut, es war China) in einem kleinen Kabuff sitzt (werden ja schließlich alle ausgebeutet da unten) und per Google-Übersetzer wild Emails verschickt, um Geschäfte „in 20,5 Mio. USD wert“ zu machen. Da die Chinesen mit ihrer Volkswirtschaft immer noch auf Platz 2 der Weltrangliste sitzen, gar nicht mal so unrealistisch.
Nachdem ich mich von dem Lachkrampf, den mein Vorurteil-Kopfkino ausgelöst hat, erholt hatte, wurde dieses von dem mir aufkommenden Gedanken verdrängt, auch schon unter die hysterischen Datenschutz-Typen (jap, dünnes Eis) gegangen zu sein. Ich will gar nicht meinen Senf auf dieses sicher schon in Süß, Mittelscharf und Dijon getränkte Thema kippen. Denn auch ich wurde schon unzählige Male über die Gefahren des World Wide Web aufgeklärt. Ich saß in Vorträgen extra für die unwissende Jugend, um den „richtigen“ Umgang mit dem Internet-Tier und seinem Mammuthirn zu erlernen. Zudem bekam ich von Mitschülern (die, die ihren Namen in Facebook falsch rum schreiben) in Referaten erklärt, wie man sein Passwort möglichst knack-sicher macht, so dass DIE nicht an deine Daten rankommen. Sehr eindrucksvoll. Wirklich. Ganz ohne Ironie. (Nur dass nie geklärt wurde, wer DIE sind).
Aber was hat sich verändert? Mein Passwort hat immer noch den Schwierigkeitsgrad meines Geburtsdatums. Warum? Weil mein Vorstellungsvermögen zwar für Herrn Cheung ausreicht, aber nicht dafür, dass der sich für die Youtube-Links interessiert, die ich und meine Freunde uns schicken. Oder dass ich google wie man Tomatensoße macht, wenn die halbe Bevölkerung freiwillig ihr Mittagessen an die Pinnwand postet. Wahrscheinlich ist es diese allgemeine Gleichgültigkeit mit der wir teilen, posten und liken, die auch meine Hemmschwelle zur Online-Privatsphäre auf den Nullpunkt gebracht hat. Ich, die es nicht mag, wenn jemand in mein Zimmer latscht und meine Sachen offen rum liegen. Jene Gleichgültigkeit, mit der wir der NSA-Affäre gegenüberstanden – natürlich nur, bis unsere Angie nicht mehr in Ruhe telefonieren konnte. Hätten sie damals ja eigentlich auch zur Stasi sagen können – sammelt sie halt, unsere Daten.
Also Herr Cheung, ich mache gerne Geschäfte „in 20,5 Mio USD wert“ mit Ihnen. Wenn Sie jedoch meinen Rechner, Profile etc. mal gehackt hätten, wüssten Sie, dass das nicht ganz meine Preisklasse ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Lea Biermann
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