Es ist Mittwoch, 14:21 Uhr. Morgen soll mein vierter Blogeintrag erscheinen und schon seit Tagen zerbreche ich mir den Kopf, um ein Thema zu finden.
Während ich dann gelesene Zeitschriften zu ihren circa 1.586 Kumpanen in den Schrank räume denke ich mir: Themen gibt es doch eigentlich genug. Ich bin nur nicht fähig, mich für eines zu entscheiden. Kurzentschlossen schlage ich das Magazin in meiner Hand auf und blicke auf einen Artikel über den Axel Springer Verlag und seine zahlreichen BILD-Medien. Da gibt es zum Beispiel die „Bild der FRAU“, „SPORT BILD“, „COMPUTER BILD“ und natürlich auch die „BILD“-Zeitung.
Aber was für ein Bild habe ich denn von der BILD-Zeitung oder ihrer Leserschaft? Sehe ich da den oberflächlichen Sensationslustigen, der sich gerade über das Foto eines blutüberströmten Amokläufers beugt, oder frage ich mich, was für ein Mensch das ist. Denn schon am Zeitungsstand um die Ecke fällt es mir selbst, wie den meisten anderen Passanten, schwer, meine Augen ganz vom Betrachten dieser skandalösen Bilder abzuhalten.
Wir werden eben von Bildern angezogen. Bilder und Menschen gehören irgendwie zusammen.
Als wir beim WG-Casting letzte Woche auf die sieben Bewerber warteten, fiel des Öfteren die Frage: „Hat die ein Bild mitgeschickt?“ Und fast genau so oft brach die Diskussion aus, ob wir denn wirklich so oberflächlich sind, unsere zukünftigen Mitbewohner anhand eines Fotos zu beurteilen. Aber sobald sich der nächste Kandidat die Stufen zu unserer Wohnung hochgeschleppt hatte und in unsere Gesichter blickte, war schon das erste Urteil in den Köpfen getroffen. „Das erste Bild von einer Person entsteht in einer Zehntelsekunde“, erklärt mein Mitbewohner Paul, der im vierten Semester Psychologie studiert. Und das stimmt, fällt mir auf. Nur selten hatte ich ein anderes Bild von einer Person, wenn sie den Raum nach einer halben Stunde Gespräch verlässt, als zum Zeitpunkt, zu dem sie ihn betreten hat.
Natürlich kennt man diesen Mensch dann nicht wirklich, und trotzdem entscheidet das Bauchgefühl schon, wie sympathisch man ihn findet.
Aber was bedeutet es überhaupt, einen Menschen „zu kennen“?
Für mich heißt es, ihm zu vertrauen. Denn wie Max Frisch es so schön ausgedrückt hat: „Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe“. Und auch wenn es schwer fällt, versuche ich, über meinen ersten Eindruck hinwegzusehen, um jedem die Freiheit zu geben, „lebendig“ zu sein. Auch mir selbst. Denn häufig kommt es vor, dass Menschen zwanghaft versuchen, in ein eigenhändig auferlegtes Selbstbild zu passen und letztendlich daran kaputt gehen. So kann es sich beispielsweise die gestresste Mutter nicht eingestehen, dass sie ihr Baby gerne einmal abgeben würde, um allein zu sein, weil das nicht in ihr Bild der liebenden Mama passt.
Doch mit Bildern kann man noch ganz anderes machen. Sich selbst ausdrücken zum Beispiel. Schon vor ungefähr 40.000 Jahren versuchten die Menschen mittels Malereien, ihr Leben darzustellen. Heute hat das Wort „Bild“ laut Duden sechs verschiedene Bedeutungen und auf die wohl offensichtlichste möchte ich jetzt eingehen: Das Bild im Sinne von Gemälde oder Fotografie.
Ständig sind wir von Bildern umgeben und nicht nur am Zeitungskiosk versuchen sie, uns zum Kauf anzutreiben. Die gesamte Werbeindustrie arbeitet sehr viel mit Bildern, da sie vom Adressaten schneller erfasst werden als Texte, keine bestimmten Sprach- oder Lesekenntnisse voraussetzen und durch die Verknüpfung mit dem verbalen sowie nonverbalen Gedächtnissystem länger in Erinnerung bleiben. Ein weiterer Vorteil von Bildern ist, dass sich sehr gut mit Emotionen koppeln lassen.
So werden gezielt Schlüsselreize, wie das Kindchenschema oder Erotik, angesprochen. Wenn man durch die Straßen geht, wird der Blick beispielsweise fast automatisch vom süßen Baby auf dem NIVEA-Werbeplakat angezogen. Und auch wenn die Frau im leichten Abendkleid nicht automatisch mit Hugo Boss verknüpft wird, so ist ihre Präsenz trotzdem ein Grund, sich mit der Anzeige etwas näher zu befassen.
Bei so viel Manipulation könnte man dem Bild als „Emotionstransmitter“ schon beinahe böse sein. Doch fast jeder benutzt heutzutage Bilder, um seine Gefühle oder Stimmungslage auszudrücken.
Ich selbst und viele andere habe sie schon heute Morgen verwendet. Die Rede ist von Emoticons. Die kleinen Bildchen, deren Namen sich aus den Worten „Emotion“ und „Icon“ zusammensetzt, sind mittlerweile kaum mehr wegzudenken aus der digitalen Kommunikation. Von einzelnen konservativen Sprachwissenschaftlern noch verhasst und als sicheres Mittel zum Verfall der Sprache abgetan, von Millionen anderen geliebt, bieten die Zeichen immer wieder Diskussionsstoff. Bisher konnte allerdings keine Studie einen Zusammenhang zwischen dem Verfall von Sprache und Emoticons nachweisen. Ich denke, dass man die Veränderung von Sprache positiv betrachten sollte, weil sie schon immer stattgefunden hat und auch immer geschehen wird. Außerdem bieten diese kleinen Zeichen auch Menschen, die eher selten ihre Gefühle zum Ausdruck bringen, die Möglichkeit, mit wenig Aufwand zumindest einen kleinen Teil ihrer Emotionen zu zeigen. So habe ich mich zum Beispiel gefreut, als mein Vater auf meine Whatsapp-Nachricht, dass ich ihn am Wochenende besuchen werde, mit einem „ok :-)“ geantwortet hat, anstatt nur „ok“ zu schreiben.
Mit diesen Worten knote ich nun den Sack mit meinen Gedanken wieder zu und hoffe, einige Bilder über das Wort „Bild“ in Ihren Köpfen zurückzulassen. (Sprachliches Bild)
Lena Nerb – Praktikant