Wenn sich nichts mit nichts verbindet, ist und bleibt die Summe klein … Seit geraumer Zeit sitze ich nun schon vor meinem Fachartikel und versuche bislang vergeblich, meiner Headline den letzten Schliff zu geben. Da kommt der erlösende E-Mail-Ping. Meine Kollegin schickt ihren regelmäßigen Newsletter mit Lesetipps aus der Welt der Kreativen. Der PR-Trendmonitor 2017 von news aktuell und Faktenkontor zu den „10 nervigsten Phrasen der PR“ springt mir ins Auge. Je länger ich lese, umso stärker überkommt mich kribbelige Unruhe. Das allgegenwärtige Lamento über die Herausforderungen der Digitalisierung für die schreibende Zunft irritiert mich zunehmend. Eine ganze Branche sucht nach einem Trampelpfad durch den Content-Dschungel des Marketing 4.0. Ist Kommunikation im Zeitalter digitaler Transformation zu schwierig für uns Schreiberlinge? Ich denke nicht. Vielleicht sind wir einfach nur zu unelastisch.
Die Musik, die man verdient
Die Liste der nervigsten Phrasen ist lang. Deshalb schauen wir mal auf die ersten drei. Die Aussage „Influencer sind wichtiger als Journalisten“ nervt mit 45 Prozent der 642 befragten Fach- und Führungskräfte am meisten. Nun gut, denken wir an die wachsende Menge junger YouTuber, die mit ihren Beiträgen ein breites Meinungsbild prägen, kann einem schon bange werden. Die Influencer von morgen sind so ganz anders, als die amtierenden Wirtschaftsweisen, die Ressortleiter großer Tageszeitungen oder die Moderatoren von Politsendungen nach 22 Uhr. Warum ist das so?
Jede Generation hat die Musik, die sie verdient. Das gilt wohl auch für Influencer. Doch woher kommt dieser Effekt? Eine mögliche Erklärung liegt in der Direktheit des Web. Um eine Information wirksam zu verbreiten, sind Journalisten nicht mehr zwingend nötig. Das Web macht ihnen die Position als zentrale Gatekeeper streitig. Gleichzeitig nimmt die Menge an Informationen zu, die auf uns einprasselt. Wir brauchen dringend Filter, die für uns das Wichtige vom Unwichtigen trennen. Die Selektion sollte jedoch so individuell, so persönlich und so interaktiv wie möglich sein. Wir brauchen Content, der gezielt und dynamisch auf unsere Bedürfnisse eingeht. Moderne Influencer sind genau diese Content-Partner: Menschen, mit einem authentischen Kompetenzprofil, dem wir Vertrauen schenken. Junge Wilde mit klarer Meinung und ohne Anspruch auf 150 Prozent korrekte Expertise. Warum kann diese Rolle nicht von klassischen Journalisten übernommen werden? Ganz einfach: Sie sind weder interaktiv noch persönlich, dafür aber belehrend und gerne auch mal rechthaberisch. Für die Content-Konsumenten des digitalen Zeitalters scheint ein solches Charakterprofil nicht dialog-fördernd zu sein. Deshalb eine gewagte These: Influencer sind Journalisten, die wichtiger sind, als sie sich nehmen. Und das funktioniert. Vielleicht sollten sich die Schreiberlinge im Umkehrschluss etwas weniger wichtig nehmen – vielleicht.
Content ist King
Auf Platz zwei der nervigsten PR-Phrasen landet die Aussage „Content ist King“ mit 41 Prozent Zustimmung. Mit Verlaub, das war schon immer so. Wer gute Inhalte und gute Qualität liefert, tut sich in der Regel bei Vermarktung leichter, als plumpe Werbephrasen-Drescher. Warum nervt die Aussage dann so? Vielleicht liegt es daran, dass die vormals „analoge Information“ nicht mit „digitalem Content“ gleichgesetzt werden darf, was viele Kommunikatoren aber nicht davon abhält, genau das zu tun.
Damit die Transformation von Inhalt zu Content gelingt, muss Information unter anderem persönlich ansprechen und zum Dialog einladen. Nur wenn diese Stellschrauben in der Content-Strategie fest verankert sind, lösen digitale Inhalte die gewünschte Handlung aus – sei es ein Feedback, ein Kaufinteresse oder eine Diskussion. Und wenn nicht? Hier einige Beispiele:
- Hatten Sie schon einmal das Gefühl, im Internet von Werbebannern verfolgt zu werden?
- Hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass (Kurz)Filme (ob TV oder Internet) nur noch dazu da sind, Werbung schalten zu können?
- Hatten Sie schon einmal das Gefühl, von Abo-Angeboten und Follow-Me-Aufforderungen drangsaliert zu werden, obwohl sie einfach nur einen angeteaserten Online-Artikel lesen wollten?
„IT im Marketing führt dazu, dass wir unsere Kunden nicht mehr umgarnen, sondern belästigen“, so hat es der Wirtschaftswoche-Kolumnist Thomas Koch, alias Mr. Media, einmal ausgedrückt. Genau deshalb schauen wir Netflix statt TV, hören Spotify statt Radio und werden mittlerweile echt sauer, wenn man uns unaufgefordert Werbe-Mails und Newsletter schickt. Gleiches Schicksal erleidet auch nicht-werblich gemeinter Content. Weder das Timing noch die Menge seiner Veröffentlichung sind konkret auf die Leserschaft abgestimmt. Ob Facebook, Twitter, Xing, LinkedIn oder Blog – Hauptsache viel und oft. Bei dieser Aufdringlichkeit sehe ich ein: „Content is king“ nervt.
Daumen hoch ist kein Dialog!
Bis vor Kurzem war mir der Begriff Cat-Content völlig neu. Er bezeichnet Inhalte, die immer und überall gerne gesehen sind – wie Katzenvideos eben. Auch wenn man sie nicht wirklich mag, klicken tut man doch. Das Paradoxe: Obwohl Cat-Content zum Dialog einladen soll ist im Regelfall kaum mehr zu erwarten, als eine Reaktion aus der Emotio-Leiste. Warum? Content muss mehr sein, als unterhaltend. Er muss sich tatsächlich damit auseinandersetzen, was den Gegenüber interessiert. Er sollte in Verbindung stehen mit anderen Inhalten, die das Interesse in Handlung verwandeln. Es geht also um einen durchdachten Pool an Informationen. Es geht um Kontext!
Gerne greife ich hier nochmals die Frage auf: Was unterscheidet Ikea von „normalen“ Möbelhäusern? Letztere verkaufen Produkte mit einer Lieferzeit von 8 Wochen. Ikea hingegen verkauft Erlebnisräume zum Mitnehmen. Einzelne Produkte – etwa ein Sofa – werden in Kontext zu anderen Produkten gesetzt: Teppich, Lampe, Bücherregal, Zimmerpflanze und Wandbild. Wir betreten ein Wohnzimmer – einen Erlebnisraum. Durch diesen Effekt wird folgendes erreicht: Ikea verkauft nicht nur das Sofa, sondern macht auch durch Cross-Selling Reibach. Damit Content funktioniert und zum Dialog bzw. Kauf einlädt, muss er also in Bezug zu den Bedürfnissen des Interessenten stehen. Wie das funktioniert:
- Wir setzen (Einzel)Informationen in Kontext zueinander, so dass Geschichten entstehen (etwa Einsatzbilder, Erklärvideos, visuelle Statements, ergänzende Produkte, Implementierungs- und Handelspartner, Messen, Fachvorträge, Whitepaper etc.)
- Wir sorgen dafür, dass sich alle Informationen dynamisch verhalten. Sie stehen genau dann zur Verfügung, wenn sie benötigt werden.
- Wir stellen sicher, dass sich alle Informationen agil verhalten. Verändert sich das Bedürfnis des Beziehungspartners, verändern sich die Inhalte.
Die Pressemitteilung ist tot
Dass diese Phrase 39 Prozent aller Umfrageteilnehmer nervt, kann ich gut verstehen. Schließlich war ich ja gerade dabei, meinen Fachartikel für ein Print-Magazin fertigzustellen. Witzigerweise nervt diese Aussage nicht deshalb, weil das „Produkt Pressemeldung“ zunehmend in Gefahr ist, sondern weil es keine wirkliche Alternative im Kommunikationskosmos zwischen Redakteur, Verlag/Journalist und Leserschaft gibt. Meine persönliche Erfahrung ist vielleicht nicht maßgebend aber sie greift aus dem Leben: Ein Kunde aus dem Investitionsgüterbereich möchte aufgrund eines digitalen Add-ons seines sonst analogen Produkts eine digitale, virale PR-Kampagne starten, die auch Kerntitel der Branche einbezieht. Nun erstellt man mit einem Budget von mehreren Tausend Euro ein Content-Kit mit Video-Produktionen, C-Level-Statements und Klick-Dummies. Dieses auf Erlebnis getrimmte Paket ist für Social Media-Kanäle und den eigenen Corporate Blog gut geeignet, doch die Verlage wollen … BUCHSTABEN. Und natürlich gerne ein Bild. Sicher könnte man über eine Bannerschaltung auf externe Microsites verlinken, doch das avisierte Branchenportal steht in seiner Besucherfrequenz in keinem Verhältnis zu den Produktionskosten des Media-Kits. Der Preis-Leistungs-Vergleich ist erschütternd bis grauenhaft.
Was bedeutet das? Der Sender kann so digital sein, wie er will – wenn der Empfänger die Botschaft nicht wirksam (handlungsauslösend) verarbeiten kann, ist alle Liebesmüh vergebens. Was also tun, wenn die Brieftaube keinen Content will? Wir brauchen ein gemeinsames „Kommunikationsprotokoll“ – eine neue Handelsplattform – zwischen Sender und Empfänger. Sprich: eine gemeinsame Vereinbarung, nach der die Übertragung, Darstellung und Verknüpfung von Informationen zwischen zwei oder mehreren Parteien abläuft. Zum Beweis, dass wir nicht nur maulen, sondern auch handeln haben wir bereits mit verschiedenen Verlagen und Verbänden erste Schritte unternommen, ein solches Umfeld zu etablieren. Die Technologiegrundlage dafür ist die Digital Experience Platform Ares4. Aber dazu später mehr.
Damit es funktioniert
Welche Eigenschaften würde ich nun wirksamem Marketing-Content 4.0 anheften? Kurz und knapp: Funktionierender Content in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
- ist unkompliziert in der Produktion
- ist persönlich und erlebbar mittels dynamischem Kontext
- hat das richtige Timing in Ort und Zeit bei der Distribution
- ist beliebig kombinierbar
- ist zwischen Sender und Empfänger(gruppen) beliebig austauschbar
In diesem Sinne schleife ich nun weiter an einer erlebbaren Headline für meinen Fachartikel.
Herzlich
Monika Nyendick
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