In der Verlagsbranche fürchtet der Arbeitskreis Mittelständischer Verlage (AMV) die neuen Regeln des „Sortimentsmanangements“ seitens des Presse-Grosso, was aktuell zu Diskussionen führt, denn der AMV sieht kleine Titel und Verlage in Gefahr.
Zuerst aber einmal die Frage: Was machen eigentlich Presse-Grossisten?
Der Presse-Grossist ist quasi das Bindeglied zwischen Verlagen und Einzelhandel – und neben dem verlagseigenen Abonnementgeschäft, dem Lesezirkel und dem Bahnhofsbuchhandel der wohl größte Vertriebskanal von Presseartikeln. Der Pressegroßhandel bezieht also seine Ware von den Verlagen und liefert diese an den Einzelhandel in seinem Vertriebsgebiet (Gebietsmonopol) aus. 69 Presse-Grossisten versorgen in Deutschland täglich mehr als 120.000 Verkaufsstellen – vom kleinen Kiosk über den Pressefachhandel bis zum Discounter – mit Presseartikeln wie Zeitungen und Zeitschriften, aber auch einzelne Bücher und Kalender. In seinem zugeteilten Gebiet unterliegt der Pressegrossist dem sogenannten „Kontrahierungszwang“: Er hat die Pflicht, nicht nur jede Verkaufsstelle zu beliefern, sondern auch jede Neuerscheinung anzubieten und in sein Sortiment aufzunehmen. Der Einzelhandel hat somit einen Belieferungsanspruch gegenüber dem Pressegrossisten. Außerdem hat der Einzelhandel das Recht, seine nicht verkauften Exemplare zu remittieren, also zurückzugeben. Um die Abwicklung kümmert sich der Pressegrossist. Diese Vorgaben sollen die wirtschaftliche Existenz kleiner Verlage und Verkaufsstellen gewährleisten sowie den fairen Wettbewerb untereinander.
Diese wirtschaftliche Existenz der kleineren und mittleren Verlage sieht der AMV jetzt wie gesagt als gefährdet an. Auf dem Marketing-Tag des Bundesverbandes Presse-Grosso e.V. und der Arbeitsgemeinschaft Pressevertrieb wurden am 4. Februar 2014 neue „Branchenregelungen zum Sortimentsmanagement“ beschlossen. Ziel ist die kundenfreundliche Präsentation nachgefragter Pressesortimente. So sollen Einzelhändler mit besonders überfüllten Regalen zweimonatlich oder seltener erscheinende Titel bereits nach vier Wochen wieder an den Grossisten zurück schicken. Außerdem bekommen diese Verkaufsstellen dann keine neuen Titel mehr geliefert. Das macht es natürlich schwieriger für kleinere Verlage, überhaupt in die Verkaufsräume zu kommen. „Es besteht die Gefahr, dass die allgemein sinkenden Auflagen durch das Grosso-Programm verstärkt werden. Kleinere Titel haben nach Umsetzung dieses Programms definitiv geringere Verkaufschancen. Wo ich nicht bin, kann ich auch nichts verkaufen“, so
AMV-Vorstandsmitglied Jürgen Jacobs im Gespräch mit MEEDIA.
Der Bundesverband Presse-Grosso hingegen ist da anderer Meinung. Das Sortimentsmanagement richtet sich laut Frank Nolte, Chef des Bundesverbandes Presse-Grosso, „nicht für oder gegen einzelne Titel. Es geht darum, die Attraktivität des Pressesortiments insgesamt zu verbessern und den Kunden im Einzelhandel gerecht zu werden.“
Ich selbst habe vor meiner Zeit bei Press’n’Relations viele Jahre lang im Presse-Großhandel im Kundendienst gearbeitet und kenne daher die Problematiken zwischen Verlagen und Grossisten sowie zwischen Grossisten und dem Einzelhandel nur zu gut.
Die immer größer werdende Vielfalt an Presseerzeugnissen (momentan ca. 4.000 verschiedene Titel) macht es immer schwieriger, sowohl den Verlagen, als auch dem Einzelhandel gerecht zu werden. Die Verlage möchten natürlich möglichst hohe Auflagen ihrer Titel in möglichst vielen Geschäften bestplatziert auf den Markt bringen. Denn auch abgesehen davon haben sie bereits große Probleme, Anzeigen zu verkaufen, weshalb sie zum Teil zu wettbewerbswidrigen Mitteln greifen (
Agentur vs. Anzeigenleiter – sind Verlage käuflich Teil 1-3). Sinkt die Auflage aufgrund der Entscheidung der Presse-Grossisten dann noch zusätzlich, verschärfen sich diese Probleme.
Auf der anderen Seite klagen Einzelhändler über viel zu hohe Bezugsmengen, denen sie aus Platzmangel in ihren Regalen etc. gar nicht mehr gerecht werden können. Die Folge sind frühzeitige und viel zu hohe Remissionsmengen, was für keinen der Beteiligten zielführend ist. Auch der Leser verliert an einem vollgestopften Regal schnell den Überblick.
Ich kann die Sorgen beider Seiten also gut nachvollziehen. Aber es ist gar nicht so einfach, hier eine geeignete Lösung zu finden, die für alle Beteiligten zufriedenstellend ist – der Wettbewerb wird immer größer und damit auch der Kampf um die besten Plätze im Regal. Aber am Schluss entscheidet immer noch der Einzelhändler allein, welche Titel er in seinem Regal behält und welche er remittiert oder nachbestellt.
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