Nach einem langen und erbitterten Wahlkampf war es am 4. November endlich so weit: New York City hat einen Kommunisten zum Bürgermeister gewählt – zumindest, wenn man Donald Trump und der republikanischen Partei glauben mag (was man in der Regel nicht tun sollte). Im Big Apple, der größten Stadt des „Land of the free and the brave“, Heimat der turbokapitalistischen Wall-Street, eben da soll nun ab Januar also mit Zohran Mamdani die Wiedergeburt Lenins regieren. Man mag es kaum glauben.
Doch Spaß beiseite. Auch wenn Mamdani sicher nicht der marxistische Hardliner ist, zu dem ihn die (rechte) amerikanische Öffentlichkeit gern hochstilisiert, ist es doch nicht weniger als eine Sensation, dass ein Newcomer aus dem linken Spektrum so einen kometenhaften Aufstieg hinlegen konnte. Erst während der Corona-Pandemie wurde der heute 34-Jährige mit indischer Abstammung und ugandischen Wurzeln in sein erstes politisches Amt gewählt. Wenige Jahre später wird er nun das Oberhaupt einer Stadt mit fast neun Millionen Einwohnern. Wenn jemals ein Anflug von Impostor-Syndrom gerechtfertigt war, dann hier. Und als wäre das nicht genug, hat der schon qua Existenz (Moslem, Sozialist, jung) missgünstig beäugte Mayor elect sich während des Wahlkampfs auch gleich noch selbstbewusst mit dem gesamten Establishment angelegt – vom Rathaus bis nach Washington. Man will sich ja nicht vorwerfen lassen, es einfach gehabt zu haben.
Probleme und Lösungen im Fokus
Auf die politischen Positionen und Projekte Mamdanis möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht übermäßig eingehen. Viel spannender ist, zumindest aus Sicht des PR-Profis, wie der linke Überflieger und sein Team in den letzten Monaten verschiedene Kommunikationskanäle und -strategien nutzten, um ihre Botschaften hochgradig effektiv an die Wählerinnen und Wähler zu tragen. In dieser Hinsicht kommt einem natürlich direkt der Vergleich mit Barack Obamas Wahlerfolg 2008 in den Sinn. Doch abseits der oberflächlichen Ähnlichkeiten – charismatischer Kerl verbreitet Aufbruchstimmung – zeigen sich einige Unterschiede zum vor-vorletzten Präsidenten. Denn während dieser meist auf maximal breite, alles und jeden inkludierende Messages setzte („Change“, „Yes We Can“), spricht Mamdani die Sorgen, Nöte und Wünsche seiner Zielgruppen sehr konkret an.
Wie es sich für einen linken Politiker gehört, steht hier die finanzielle Situation seiner potenziellen Wählerschaft natürlich an erster Stelle. Der durch Inflation und Co. herbeigeführten „Cost of Living Crisis“, begegnet er mit klaren und für US-Verhältnisse radikalen Maßnahmenversprechen: kostenlose Busse, Mietenstopps und subventionierte Lebensmittelgeschäfte sind dabei nur die prominentesten Beispiele. Kaum verwunderlich, kommt das gerade in den besonders prekären und migrantisch geprägten Stadtteilen, wie Queens oder Harlem, gut an. Doch auch im durchgentrifizierten Brooklyn trafen diese Ankündigungen auf offene Ohren. Denn wie es Jonathan Mahler von der New York Times beschreibt: „These people who would have been yuppies 40 years ago are now kind of struggling. They are making $120,000, $140,000 a year, and that’s not enough to live an upper-middle-class life in New York at all. And that’s the Mamdani voter.“
Vielfalt an Kanälen, Sprachen und Zielgruppen
Die Themen, die die Menschen bewegen, zu identifizieren und anzusprechen ist das eine. Das andere, womöglich sogar entscheidendere, ist es, hierbei beständig zu bleiben und nicht unter dem Druck der politischen Gegner einzuknicken. Auch hier überzeugt Mamdani: Seine ambitionierten sozialen Vorhaben verteidigt er unerschütterlich, mit klaren Argumenten, gegen Angriffe aus der fiskal-konservativen Ecke. Und auch vom Vorwurf des Antisemitismus, der ihm im Wahlkampf ob seiner Haltung zum Gaza-Krieg (und offensichtlich aus taktischem Kalkül) unentwegt gemacht wurde, ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Hierbei profitieren er und sein Team fraglos auch von einer geschickten Owned- bzw. Social-Media-Strategie. Anstatt sich allein auf den guten Willen der etablierten Medien zu verlassen, spielten selbst produzierte Videos und Auftritte bei jungen, unabhängigen Web-Formaten eine gewichtige Rolle. Die Vermutung, man habe sich hier auch vom Vorgehen Bernie Sanders‘ inspirieren lassen, ist wohl nicht ganz abwegig.
Was Mamdani dem rüstigen Senator aus Vermont jedoch eindeutig voraus hat, ist seine Mehrsprachigkeit und die damit einhergehende Natürlichkeit beim Umgang mit verschiedenen Kulturkreisen. Während Wahlkämpfer in den USA üblicherweise fast ausschließlich in Englisch kommunizieren und bestenfalls ein paar Brocken Spanisch von sich geben, um den Latino-Vote abzugreifen, nutzte er in seinen Ansprachen und Videobotschaften ganz selbstverständlich auch Arabisch, Bengali, Hindi, Luganda und Urdu. Aus nicht-migrantischer Perspektive mag man das zunächst für wenig relevant halten, die Reaktionen der entsprechenden Communities sprechen allerdings für sich. Man wählt eben lieber jemanden, dem man glaubt, dass er einen wirklich versteht. Dieser unverkrampfte, um nicht zu sagen coole Umgang mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen macht zudem nicht bei Sprache und Ethnie halt. Wodurch sich Zohran Mamdani womöglich am stärksten von allen anderen Kandidaten abhebt, ist dass er keine Scheu vor der „Unterschicht“ hat. Anstatt ÜBER die am Existenzminimum lebenden Bewohner New Yorks zu sprechen, spricht er MIT ihnen. Wie sehr diese Nahbarkeit geschätzt wird, zeigt sich nicht nur am Wahlergebnis, sondern auch an den direkten Reaktionen der Menschen.
Ein starkes Team im Rücken
Selbstverständlich sind Mamdanis Erfolge der letzten Wochen und Monate nicht allein ihm als Person zuzuschreiben. Sein bereits mehrmals erwähntes Wahlkampf- (und jetzt Transition-)Team leistete in dieser Zeit herausragende Arbeit. Besonders hervorzuheben ist hier sicherlich seine, häufig als „rechte Hand“ bezeichnete, Kampagnenmanagerin Elle Bisgaard-Church. Unter ihrer Leitung wurden die Kernthemen – Entlastung bei Miete, ÖPNV und Kinderbetreuung – konsequent bespielt und breit in die Öffentlichkeit getragen. Die ebenfalls erst 34-Jährige, die zuvor noch nie einen Wahlkampf organisiert hatte, brach hierbei mit diversen Konventionen und Vorstellungen, wie Politik in New York zu funktionieren hätte. So war sie etwa auch maßgeblich daran beteiligt, eine gewaltige „Door to door“-Aktion auf die Beine zu stellen, bei der freiwillige Wahlkampfhelfer an abertausende von Haustüren klopften und vor Ort auch mit den Menschen ins Gespräch kamen, die sich ansonsten von der Politik abgewendet haben. Dass dieser Aufwand sich gelohnt hat, zeigt das Wahlergebnis.
Ob sich die mutigen und unkonventionellen Methoden Zohran Mamdanis und seiner Vertrauten auch im Amt bewähren, müssen die kommenden Monate und Jahre zeigen. Der Sieg des Underdogs hat aber schon jetzt Wellen in der politischen Landschaft der USA geschlagen. Bei aller ideologischen Gegensätzlichkeit zeigte sich sogar Donald Trump beim Antrittsbesuch Mamdanis im Weißen Haus beeindruckt vom tatkräftigen Auftreten – womöglich so beeindruckt, dass er sich gleich etwas Style-Inspiration bei diesem holte. Von seiner Aussage, der Präsident sei ein Faschist, rückte Mamdani deswegen aber nicht ab. Ein gutes Zeichen, dass seine direkte und standfeste Kommunikation auch in Zukunft Bestand haben wird.
