Seewald und Papst Benedikt beim Interview in Castelgandolfo. Zur Sicherheit ließ der Journalist mehrere Tonbandgeräte mitlaufen (Quelle Focus.de / AFP)
Es vermag vermutlich einige unserer Blog-Leser verwundern: Auf meinem Nachttisch liegt aktuell
„Letzte Gespräche“, das neueste Interview-Buch von Peter Seewald mit Papst Benedikt XVI. Ich finde es immer wieder interessant, Bücher über Päpste zu lesen, unabhängig davon, ob sie vom jeweiligen Pontifex autorisiert sind oder nicht. Solche Bücher erlauben, ähnlich wie Biografien oder Briefwechsel von großen historischen Persönlichkeiten, einen kleinen Einblick in eine unserem gewohnten Alltagsleben komplett fremde Welt.
Selbstverständlich haben wir es bei der Vatikanberichterstattung wie in jeder Kommunikationsform mit einer subjektiven Darstellung der Wirklichkeit zu tun. Dennoch finde ich es faszinierend, ein direkteres Bild des Vatikans und seiner Monarchen zu bekommen, als man dies lediglich über den Konsum der täglichen Nachrichtenmeldungen und Kommentare erhalten kann. Interessant sind aber auch ungewollte Vorkommnisse in der Öffentlichkeitsarbeit. Gerade während des Pontifikats des emeritierten Papst Benedikt gab es immer wieder Kommunikationspannen. Beispielsweise in dem bekannten Fall der Aufhebung der Exkommunikation der Piusbrüder, die dummerweise zeitgleich mit dem Bekanntwerden der erneuten Holocoaust-Leugnung eines ihrer Mitglieder bekannt und von den Medien deshalb als Rehabilitation derselben ausgelegt wurde.
Meistens lag dabei das Problem darin, dass der Vatikan auf (von außen offenkundige) Anwürfe der Medien und Proteste der Öffentlichkeit schlicht nicht vorbereitet war und es teilweise Tage dauerte, bis der Heilige Stuhl zu den Vorwürfen oder Enthüllungen Stellung nahm. Das erstaunt den PR-Profi. Man fragt sich unweigerlich, wie es sein kann, dass eine derart mächtige und mit haufenweise Geld ausgestattete, aber auch weltweit in der Öffentlichkeit stehende und für über eine Milliarde Menschen wegweisend geltende Institution keine bessere externe Kommunikation zustande bringt.
Wollte man sich nun Verschwörungstheorien bedienen, könnte man vermuten, dass die Skandale die PR-Verantwortlichen der Kurie gar nicht unvorbereitet getroffen haben. Dass sie im Gegenteil von langer Hand vorbereitet wurden, um die Kirchenführung zu schwächen, indem man den obersten Verantwortlichen den Angriffen und dem Spott der Weltöffentlichkeit aussetzt. Soweit würde ich allerdings nicht gehen. Klar, es ist bekannt, dass es Kommunikationslecks gab, die bewusst, beispielsweise aus Genugtuung oder Rache von Mitarbeitern, herbeigeführt wurden. Ob dabei wirklich die PR-Leute beteiligt waren, blieb meines Wissens ungeklärt.
Ich glaube, es liegt eher an dem Amt selbst, das die Steuerung der Öffentlichkeitsarbeit so schwierig macht. Es gibt zwar zu jedem möglichen Anlass öffentliche Verlautbarungen. Auf der Webseite des Vatikans kann man jeden Tag nachlesen, wen der Papst empfängt, wem er Glückwünsche schickt oder wem er wo Trost spendet. Dennoch ist ein Papst bei jedem öffentlichen Auftritt unter Dauerbeobachtung. Die Inhalte einer Rede sind jedoch nicht in jedem Fall kontrollierbar – und schon gar nicht sind es spontane Äußerungen gegenüber Gläubigen oder Journalisten.
Kein Wunder kam es sogar einmal vor, dass der Papstsprecher Federico Lombardi Papst Benedikt öffentlich seine Autorität absprach. Der im Umgang mit Journalisten ungeübte Papst hatte auf die Frage eines Journalisten, ob die Kirche mexikanische Politiker, die sich für die Abtreibung einsetzten, exkommunizieren solle, mit Ja geantwortet. Kaum geschehen, erklärte Lombardi, der Papst habe sich geirrt, die mexikanische Kirche solle die Politiker nicht exkommunizieren. Aus PR-Sicht und auch für das Verständnis des Papstamtes ist ein solches Vorgehen eine absolute Katastrophe.
Denn der Kommunikationsverantwortliche stellte die geistige Urteilskraft des Kirchenoberhaupts öffentlich in Frage – des Papstes notabene, der als früherer Leiter der Glaubenskongregation verantwortlich für die Auslegung von Glaubensfragen der katholischen Kirche war. Ganz abgesehen davon, dass die Kirche dem Papst ja Unfehlbarkeit zugesteht. Solche Kommunikationspannen sind wohl die Konsequenz, die ein derart öffentliches Amt mit sich bringt. In dem oben erwähnten letzten Interviewbuch bringt Benedikt übrigens seine Sicht solcher Vorkommnisse abschließend zum Ausdruck. Er kann ganz offensichtlich auch als emeritierter Papst die Dinge noch so zurechtrücken, wie sie für richtig hält und wie er sie gesehen haben will. Die Pressestelle des Vatikans bleibt dabei außen vor.
Papst Benedikt XVI schreibt 2005 TV-Geschichte: Zum ersten Mal gewährte ein Papst vier deutschsprachigen TV-Sendern ein Interview. (Quelle Youtube)
Dies war wohl auch bei dem – übrigens ersten eines Papstes – TV-Interview, das Benedikt 2005 fünf ausgewählten Journalisten gewährte. Damals sagte er (sinngemäß) auf die Frage, ob er sich denn schon ein wenig an seine neue Arbeit als Papst gewöhnte habe, es sei halt schon sehr anstrengend und mühsam. Denn er habe sich eigentlich darauf gefreut, nach dem Ableben von Johannes Paul II seinen Ruhestand zu genießen. Dass ein Papst sein Amt offen als mühsam bezeichnet, weil er nicht gern arbeitet, bis er tot umfällt, dürfte im Palast bestimmt für Aufregung gesorgt haben. Dass er es damals aber durchaus ernst meinte, wissen wir spätestens seit seiner Rücktrittsankündigung, mit der er am 11. Februar 2013 die Weltöffentlichkeit überraschte – Lombardi inbegriffen.
Sein Nachfolger Franziskus ist bekanntlich genauso unkontrollierbar. Franziskus schockt auch regelmäßig in den Medien mit verwirrenden Aussagen, etwa wenn es um körperliche Züchtigung in der Kindererziehung oder ähnlich Unerwartetes geht. Franziskus hat aber einen gewichtigen Vorteil: Er ist mit seinem Verständnis der Kirche dem Volk viel näher als der Glaubenstheoretiker Benedikt. Und er lebt diese „Kirche der Armen“ am eigenen Leib in der Praxis vor. Er wohnt nicht im Apostolischen Palast, sondern im einfachen Gästehaus und verköstigt sich an dessen schäbigen Mensa-Buffet mit Würstchen und laschem Gemüse aus der Mikrowelle.
Die Pressekonferenz auf dem Rückweg vom Weltjugendtag 2013 in Rio scheint Papst Franziskus Spaß gemacht zu haben. Jetzt gab er ein großes Interview für Jesuitenzeitschriften. (dpa)
Mit seiner volksnahen und für alle sichtbaren bescheidenen Art und seinen einfühlenden Äußerungen ist er für die Vatikan-PR ein Geschenk, erreicht er doch damit die Herzen der großen Massen. Da ist es weniger schlimm, wenn man ihn in der Praxis nicht steuern kann – oder wenn er sich als beratungsresistent erweisen sollte. Seit August ist übrigens der frühere Journalist
Greg Burke Nachfolger des in den Ruhestand getretenen Lombardi. Trotz des südamerikanischen Temperaments des neuen Papstes wird es Burke vermutlich leichter haben als sein Vorgänger mit Benedikt. Was an Franziskus aber echt und was bewusst kontrolliert ist, weiß allerdings wohl doch nur er selbst.
Entdecke mehr von blog'n'relations
Subscribe to get the latest posts sent to your email.