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„Frankreich verbietet extrem dünne Models“ („France bans extremely thin models„) titelte BBC am 6. Mai 2017. Anlass war ein Gesetz, das auf zwei Ebenen greift: Zum einen sollen Models in Frankreich eine ärztliche Bescheinigung beibringen, dass sie gesund sind. Zum anderen ist es dort nun verboten, die Figur durch Retouche der Fashion-Fotos zu verschlanken, ohne dies kenntlich zu machen. Seit dem 1. Oktober müssen daher alle Fotografien, in denen zum Beispiel die (meist ohnehin langen) Beine der Models durch Retouche digital gestreckt oder die Taille weiter verschmälert wurden, als retouchiert gekennzeichnet werden.

Die neuen Regeln in Frankreich haben Strahlkraft: Getty Images verbietet seit dem 1. Oktober ausdrücklich das Hochladen von Fotos, in denen die Retouche mit Photoshop & Co. zum Body Shaping angewendet wurde (englischer Wortlaut siehe hier). Zwar verstanden sich Getty Images und iStock, für das die neue Regel ebenfalls gilt, ohnehin nie als Quelle für unrealistisch überzeichnete Fashion-Fotos, doch durch die neuen Regeln ist das Einstellen von „künstlich verschlankten“ Fotos nun definitiv tabu. Und das nicht nur in Frankreich, die Regeln der beiden Bildagenturen gelten generell.

Wider die Schlankheits-Retouche – eine Schlacht im Kampf gegen Fake-Fotos ist gewonnen

Das wird nicht nur Frankreichs Politiker freuen, sondern Tausende von Models – und schlussendlich Hunderttausende von Menschen weltweit, die einem gefakten Schlankheitsideal nachzujagen drohen. Denn Ziel des neuen Gesetzes ist nicht nur der Schutz der Models selbst, sondern auch unzähliger Menschen, die sich auf Modelmaße herunterhungern wollen. Allein in Frankreich sollen etwa 30.000 bis 40.000 Menschen unter Anorexie leiden, die meisten davon sind Frauen. Kein Wunder, wenn Teenager sehen, wie Models die Size-Zero-Kleidung auf dem Catwalk tragen. 50 kg Körpergewicht bei einer Körpergröße von über 1,75 m sind keine Seltenheit.

Nun ist es sicherlich nicht so, dass alle Agenturen ihre Models zu Anorexie treiben, aber was bleibt den Menschen übrig wenn es heißt: „Beim nächsten Shooting wird unsere Kollektion in den Größen 32 und 34 fotografiert.“ Über die Auswirkungen auf die Gesellschaft wird seit Jahren oder Jahrzehnten heftig diskutiert. So hat die Zeitschrift Brigitte jahrelang konsequent vermieden, Magermodels abzubilden, und etliche Mannequins haben lieber ihren Job geschmissen als die gesundheitsgefährdenden Dauerdiäten mitzumachen oder – wie zum Beispiel Naomi Shimada – den Wiedereinstieg als Plus-Size-Model gemacht.

Zero Size, Plus Size – und wo bleibt Normal Size?

Ob es daran liegt, dass ich ein Mann bin, dass ich mancher Terminologie der Modebranche nicht folgen kann? Was eine „Bikini Bridge“ ist, weiß ich erst seit wenigen Tagen. Und habe mich prompt gefragt, ob für mich eine Badehosen-Brücke erstrebenswert sein sollte. Werde ich aber wohl nie haben und auch gar nicht erst anstreben. Bezeichnungen wie Size Zero oder Plus Size stellen mich aber vor noch größere Fragen. Warum „Zero“ sagen statt dem, was es wirklich ist? Größe 32 klingt schon klein genug. Warum Plus Size, wenn es gar kein Plus ist? Für manche Modemacher fängt Plus Size bei Damengröße 38 oder 40 an. Hey, das ist als Damenkleidergröße völlig normal, eher schon schlank, wenn man den Bundesdurchschnitt betrachtet. Der Begriff Plus Size ist für diese Größen somit völlig unnormal.

Wo bleibt der Mut zur Normalität? Der Mut, Menschen Mode so zu präsentieren, wie sie an normalen Menschen wirkt? In Größe 40 oder 44 (das ist tatsächlich der Durchschnitt) für die Damenwelt oder in 50 bis 52 für die Männer. Nur wenige lassen Normalgewichtige ihre Kollektionen vorführen – zumindest nicht, ohne sie als „Plus“-Größen-Models zu bezeichnen.

Apropos Normalität: Retouche war ja das Thema und auch da ist das Bild, das die Branche zeichnet, oft weit von der Normalität entfernt. Wächserne Haut, die sich nicht durch reine Poren auszeichnet, sondern „rein von Poren“ ist, glänzt auf den Covern der Modezeitschiften und TV-Magazine. Oft frage ich mich, ob’s tatsächlich ein Foto ist oder ob das Gesicht mit derselben 3D-Software erzeugt wurde, die für Computerspiele oder Fahndungsfotos zum Einsatz kommt.

Bleiben wir realistisch, auch bei der Retouche

Vielleicht sehe ich das ja mit den falschen Augen. Die „Models“, die vor meiner Kamera stehen, sind meistens Landwirte oder Büroangestellte, stehen an der Werkbank oder sitzen am Nähtisch. Da beschränkt sich die Retouche (ja, ich mache so etwas auch gelegentlich) auf das Entfernen von Hautunreinheiten, der Fleckentfernung auf T-Shirts und dergleichen. Und statt Falten glattzubügeln verleihe ich lieber den Augen etwas mehr Glanz und Ausdruck. Denn für mich ist das Abbilden von Menschen das Abbilden von Realität. Das muss nicht heißen, dass sie unvorteilhaft auf den Bildern aussehen sollen. Aber Sie sollten sie auf der Straße wiedererkennen können, wenn Sie zuvor ihr Foto gesehen haben.

Wie weit Retouche gehen darf, dafür gibt es keine allgemeinverbindlichen Regeln. Für Naturfotografen ist sie verpönt, bei Fotos mit dokumentierendem Charakter ist sie tabu, wenn Bleibendes oder Bildwichtiges betroffen ist. So spricht sicherlich nichts dagegen, bei der Street-Fotografie die zerknüllte Zigarettenschachtel im Vordergrund „wegzustempeln“ – die hätte ich auch vor der Aufnahme leicht beseitigen können – aber eine optisch wenig ansprechende Laterne sollte im Foto-Dokument doch stehen bleiben. Bleiben wir realistisch, auch bei der Retouche von Fashion-Fotos.


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