Wie KI unsere Art zu schreiben beeinflusst
Wer dieser Tage einschlägige – vorwiegend englischsprachige – Chatrooms, Blogs, Opinion-Pieces und Kommentarspalten liest, stößt früher oder später auf ein interessantes Internet-Phänomen: zunehmende Kritik am Gedankenstrich (englisch: Em-Dash)! Dieser nämlich, so wird kolportiert, sei ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein Text mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Was steckt dahinter?
Vielseitigkeit und mangelnde Kenntnisse
Wie im Deutschen dient der Gedankenstrich auch im Englischen der Betonung ausgewählter Satzglieder, zeigt Unterbrechungen und dramatische Wortpausen an und kommt nicht zuletzt als praktischer Ersatz für Klammern zum Einsatz. Damit ist das Satzzeichen äußerst vielseitig. Was aber in den Händen geübter Texter und Autoren ein präzises und ausgefeiltes Werkzeug sein kann, wird, so scheint es zumindest im Englischen, von der KI als Allzweckwaffe verwendet. Der Verdacht: Der Gedankenstrich ist besonders effizient. Statt zwischen strenger definierten Satzzeichen wie Komma, Klammer, Punkt und Semikolon unterscheiden zu müssen, verwendet die KI die vermeintlich einfache Universal-Lösung – der Em-Dash. Ein prominenterer Gebrauch allein wäre an sich vielleicht wenig verdächtig. Doch das Problem scheint tiefer zu liegen, wie die folgenden zwei Zitate illustrieren:
“The em-dash is perhaps the most underused punctuation mark in American writing.”
(Bryan Garner, amerikanischer Lexikograf)
„One thing I notice is that they use ‚em dashes‘ a lot, for example – like this. Typically, I and everyone else I know use standard hyphens – like this. I didn’t even know there was a shortcut for an em dash until looking this up.“
(Anonym)
Während das zweite Zitat sich keiner bekannten Persönlichkeit zuordnen lässt, steht es beispielhaft für eine wahre Flut an Kommentaren zum Em-Dash-und-KI-Phänomen. Die Schlussfolgerung drängt sich auf: Ein Satzzeichen, das zuvor kaum im Schriftverkehr breiter Bevölkerungsschichten präsent war, erfährt nun unerwartete Aufmerksamkeit – und stößt auf Ablehnung.
KI verändert Sprache? Wer rastet, der rostet
Während Online-Nutzer im englischsprachigen Netz die Botschaft – scheinbar – einfacher KI-Entschlüsselung verbreiten, regt sich durchaus Widerstand. Denn zumindest die professionelle Schreib-Zunft verwendet selbstverständlich auch im anglophonen Schreibraum den Gedankenstrich – und sie ist es auch, die am meisten zu verlieren hat, wenn ihre sorgsam erarbeiteten Inhalte als KI-generiert gebrandmarkt werden.

Offen bleibt freilich, in welche Richtung das Pendel schwingt. Ob der Em-Dash unter Generalverdacht bleibt oder der KI-Verdacht vom nächsten (kurzlebigen) Trend verdrängt wird, bleibt abzuwarten. (Erste Anzeichen, dass das Sparkle-Emoji und die insbesondere auf Linkedin allgegenwärtige Rakete bereits auf der Abschussliste stehen, häufen sich bereits (✨🚀). In jedem Fall lädt die Debatte dazu ein, auch die eigenen Schreibmannerismen unter die Lupe zu nehmen und zu diversifizieren. Denn egal ob KI oder Mensch: mit übermäßigem Gebrauch verliert auch das schönste Satzzeichen seinen Charme und seine Seele. Eine Kritik, der ich mich als ausgewiesener Gedankenstrichliebhaber durchaus selbst stellen muss. Ein wenig Experimentierfreude mit Komma, Klammer, Semikolon und Co. kann sich also durchaus lohnen – nicht nur im Englischen (sic).
Orientierungshilfe: Em-Dash, En-Dash- und Hyphen

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