Wer für Twitter bislang eine App wie Twitterrific oder Tweetbot einsetzte, dem wurde der Spaß an diesem Dienst vor einigen Tagen womöglich etwas vermiest – zumindest ging es mir so. Denn seit 16. August steht diesen Apps eines der Alleinstellungsmerkmale von Twitter nicht mehr zur Verfügung: die Möglichkeit zur Echtzeitkommunikation.
Konkret geht es um ein funktionales „Downgrade“ der API (Schnittstelle), über die sich Apps wie Twitterrific, Tweetbot und weitere an den Kurznachrichtendienst andocken. Einige der wichtigsten Twitter-Funktionen können nun nicht mehr genutzt werden.
Abgeschaltet wurden
- Timeline-Streaming im Wlan und
- Echtzeit Push Notifications für Mentions, Likes, Quotes, Replies, Retweets, Direct Messages und Follows
Oder kurz gesagt: #BreakingmyTwitter.
Echtzeitkommunikation? Fehlanzeige
Die Aktualisierung der Timeline-Inhalte erfolgt jetzt nur noch alle paar Minuten. Angesichts der hohen Frequenz der Tweets steht das dem Grundgedanken von Twitter, der Echtzeitkommunikation, diametral gegenüber. Denn insbesondere Unterhaltungen lassen sich mit dieser Verzögerung nicht mehr führen wie zuvor.
Überraschend kam das natürlich nicht. Denn diese Veränderung wurde bereits frühzeitig kommuniziert. Vermehrter Widerstand regte sich in den letzten Wochen aber nicht nur bei den Drittanbieter-Entwicklern, sondern auch bei den Anwendern. Dementsprechend trendete der dazu passende Hashtag #BreakingmyTwitter weit oben. Genutzt hat es leider nichts.
Die Alternative ist „Gesponsert“
Um Twitter wieder so schnell wie vorher genießen zu können, bleibt jetzt nur noch der Web-Zugang oder die originale Twitter-App. Beide weisen im Vergleich zu Drittanbieter-Clients jedoch inhaltliche Veränderungen der eigenen Timeline auf.
Twitter speist dort nämlich folgendes ein:
- Werbung
- eine konfuse, weil nicht immer chronologisch sortierte Timeline
- die Anzeige „bevorzugter Tweets“, die kein Anwender als solche erachtet und einfach vorgesetzt bekommt
Davor waren Drittanbieter-Apps bislang gefeit. Tragisch ist das vor allem für Twitterrific, meine bevorzugte Twitter-App. Denn deren Entwickler haben Twitter, so wie es heute ist, maßgeblich geprägt.
Twitterrific benutzte als erster
- das Wort „Tweet“ als Update für neue Nachrichten
- einen Vogel als Icon
- einen Zeichenzähler, der bereits beim ersten Buchstaben runterzählte
und bot darüber hinaus als erster
- einen Mac- und iPhone-Client sowie
- Unterstützung für Replies und Conversations an
Asynchrone Timelines
Was jetzt noch bleibt ist die Möglichkeit, die vorhandenen Funktionalitäten auf den jeweiligen Twitter-Clients so lange und gut zu nutzen, wie sie funktionieren, und die originale Anwendung parallel dazu nur für den Echtzeit-Content einzusetzen. Die Timelines unterscheiden sich dann zwar aufgrund der unterschiedlichen zeitlichen Aktualisierung und inhaltlichen Zusammenstellung. Dafür ist eine davon weiterhin werbefrei sowie vom Aufbau her wie gewohnt. Wenigstens etwas.
Quo vadis, Twitter?
Für die Zukunft wird es interessant zu sehen, wie sich diese doch sehr einschneidende Veränderung auf die Zahl der Anwender auswirken wird. Im zweiten Quartal 2018 belief sich die Menge der monatlich aktiven Nutzer auf 335 Millionen. Die leicht rückläufige Tendenz in Höhe von einer Million im Vergleich zu den ersten drei Monaten begründet sich laut Twitter neben den Auswirkungen der DSGVO unter anderem darin, dass Spam-Accounts mittlerweile aktiv gelöscht werden.
In Sachen Gewinn/Verlust hat Twitter seit der Gründung im März 2006 zum ersten Mal überhaupt im letzten Quartal 2017 sowie bislang in 2018 schwarze Zahlen vermeldet. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Ergebnis durch die aktuellen Maßnahmen künftig nicht wieder ins Negative verkehrt. Denn der Dienst lebt von seinen Anwendern. Wer sie verprellt, verliert nicht nur deren Vertrauen. Er sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.
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