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Flüsterbremsen, Gabionen, Schienenstegdämpfung, Brückenentdröhnung … Das sind die geplanten Maßnahmen zur umfangreichen Lärmsanierung der Deutschen Bahn. Das zumindest habe ich der Märzausgabe des Kundenmagazins „DB mobil“ entnommen – auf der Rückfahrt im ICE von unserer Social Media Schulung mit Anja Beckmann.

Soviel Rücksichtnahme seitens der Bahn rührt mich. Aber viel schöner fände ich es, wenn die DB dem Krach in den Zügen Paroli bieten würde. Denn als PR-Redakteurin nimmt man die Dienste der Bahn gerne in Anspruch, um die Reisezeit sinnvoll zur Vor- oder Nachbereitung von Kundenterminen zu nutzen oder eine Nachtschicht mit etwas Schlaf zu kompensieren. Nicht selten macht einem jedoch der Lärmpegel im Zug einen Strich durch die Rechnung.

Als ich eines Tages lauthals über die Strapazen des Zugreisens lamentierte, insbesondere meinen Unmut über mitreisende Kegelclubs und an Logorrhoe leidende Sitznachbarn kundtat, gab mir jemand den Rat: „Reserviere dir doch nächstes Mal einen Platz im Ruhebereich.“

Geläutert sank ich bei der nächsten Sechs-Stunden-Fahrt in besagten Bereich in meinen ICE-Sessel, im törichten Vertrauen darauf, dass „Handytelefonate, Klingeltöne, lautes Musikhören (auch via Kopfhörer) oder sonstige lärmende Tätigkeiten nicht erwünscht“ sind (O-Ton auf der Website der DB). Ich wollte ein wenig arbeiten, in Trivialliteratur schwelgen und wie der berühmte Hermann im legendären Loriot-Sketch einfach nur da sitzen – hier und da etwas dösen und von riesigen Rosinenschnecken träumen, die nur der Düsseldorfer Hauptbahnhof feilbietet, wohlig umgeben vom sanften Klappern einer Tastatur oder dem anheimelnden Rascheln von Butterbrotpapier …

Inzwischen weiß ich: Wer wie ich seine Ruhe haben will, sollte einen großen Bogen um Ruheabteile machen. Ich empfehle dagegen doch die mit Repeatern ausgestattete Wagons, denn dort ist die Wahrscheinlichkeit größer, in Morpheus’ Armen ruhen zu dürfen oder vernünftig arbeiten zu können, da die Handyverbindung nicht ständig abreißt. Hier herrscht homogenes Geplapper vor, bei dem sich vortrefflich ein Schläfchen halten lässt. Dagegen im Ruhebereich (natürlich in erhöhter Lautstärke, da man Funklöcher ja bekanntlich durch Schreien wett machen kann): „… Hallo … bist Du noch dran? … Wie bitte? … Die Verbindung ist so schlecht … Ich versuche es gleich nochmal …“

Was ich noch nie über Sex wissen wollte

Nicht nur die mit dem (versuchten) Telefonieren verbundene Geräuschkulisse macht einem zu schaffen, auch die übermittelten Inhalte strapazieren das Nervenkostüm. Nein, ich will nicht wissen, dass meine Sitznachbarin ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann hat. Geschweige denn möchte ich mit vermeintlich getuschelten Pikanterien versorgt werden – eine geschlagene Stunde lang. Eine weitere junge Frau hat in puncto Beziehungskiste ganz andere Probleme. Ich muss mir eine Viertelstunde anhören: „Ruf nicht mehr an … Ich mach jetzt Schluss … Lass mich einfach in Ruhe … Ich mach jetzt Schluss … Ich will nicht mehr … Lass es einfach … Ich mach jetzt Schluss.“

Wozu brauchen wir eigentlich abhörsichere Handys

Was hat denn die Dame an dem Vierertisch zu erzählen, die ihren Hallux valgus in schmuddeliger Baumwollsocke fast auf dem Schoß des Gegenübers platziert? Krankheit und Siechtum? Schon eher mein Thema. Ach nein, doch nicht, nur Akkupunktur – langweilig, da fließt kaum Blut. Hochinteressant ist dagegen das Gespräch vom Geschäftsmann gegenüber, an dem das einzig Diskrete seine Nadelstreifen und die glänzenden, rahmengenähten Cap Toe Oxfords sind. Ansonsten schmeißt er mit Firmeninterna nur so um sich. Was regen sich die Leute über den NSA-Skandal auf?

Die Sache hat nur einen Haken

Anscheinend gibt es Menschen, die noch seltener mit der Bahn reisen als ich und die sich durch weitaus elementarere Probleme aus der Ruhe bringen lassen. Zum Beispiel: Die Deutsche Bahn verfügt nicht über Warentrennstäbe, die die Grenze der eigenen Gepäckstücke zu den Koffern der Mitreisenden markiert. Minutenlang geben vier rüstige Rentner ihrem Erstaunen über die Tatsache Ausdruck, dass über ihren reservierten Sitzen das Gepäck fremder Leute thront. Und erst die Sache mit den Mänteln: „Wo sollen wir denn hier unsere Mäntel aufhängen. Hier ist ja überhaupt kein Platz für Mäntel. Hilde, habt ihr auch nur einen Haken für zwei Mäntel? Rüdiger, willst du deinen Mantel nicht aufhängen?“ Rüdiger wollte den Mantel nicht aufhängen. Hätte er es gewollt, hätte ich mich aufgehängt. Die Frage wäre nur: An welchem Haken?

Zug_bearbeitet_kleinBin ich wirklich schon so alt? Anscheinend stammen meine Vorstellungen von angenehmem Reisen, Diskretion und Höflichkeit aus einer Epoche, in der man mit Schrankkoffern und großen Hüten unterwegs war. Aus einer Zeit, in der es noch öffentliche Fernsprechapparate gab, an denen emaillierte Schilder mit dem Hinweis in roter Reichsbahnschrift „Fasse dich kurz!“ hemmungslose Schwätzer maßregelten.

Der Sänger Max Raabe kommentierte kürzlich auf seiner Tournee eine simulierte Mars-Reise sinngemäß : „… sechs erwachsene Männer begeben sich in eine Röhre und tun so, als flögen sie zum Mars, um rauszubekommen, wie es ist, unter extremen Bedingungen auf engstem Raum zu leben. Eine Reise mit der Deutschen Bahn hätte es auch getan.“ Vermutlich ist auch er traumatisiert und wollte wie Hermann und ich einfach nur sitzen.


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