„Der Rütlischwur 1291“ Gemälde von Jean Renggli dem Älteren (entstanden 1891)
Heute, am 1. August, begeht die
Schweiz den sogenannten Bundesfeiertag – so die offizielle Bezeichnung des Nationalfeiertags der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Traditionell werden in der ganzen Schweiz deshalb heute Reden gehalten – insbesondere mit dem Augenmerk auf die Feierlichkeiten in der Urschweiz. Hoch über dem Urnersee, wo auf der Alpwiese „Rütli“ im Jahr 1291 Vertreter der Urschweizer Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden ihr Verteidigungsbündnis mittels Schwur besiegelt haben sollen, treffen sich jährlich Schweiztreue und auch ganz „normale“ Schweizer. Sie wollen dem Tag gedenken, an dem sich unsere Vorfahren zusammengeschlossen haben sollen, um nach dem Tod des deutschen Königs Rudolf I von Habsburg einen Bund zur Besiegelung ihrer „alten Freiheiten“ zu schliessen.
Dass die Eidgenossen nicht zimperlich waren, sich in fremde Dienste zu begeben, um als Söldner egal wo in Europa in den Krieg zu ziehen, dürfte den meisten bekannt sein. Wer aber weiss heute noch, dass die Schweizer über Jahrhunderte ein schlechtes Verhältnis zu den deutschen Nachbarn hatten, insbesondere zu den Habsburger Königen? Zu denselben Habsburgern notabene, die ursprünglich von der Stammburg Habsburg, im heutigen Kanton Aargau gelegen, gen Osten zogen, um ein gefürchtetes Reich zu gründen?
Auch heute, 725 Jahre nach dem Rütlischwur, werden Schweiztreue und Nationalisten nicht müde werden, sich dieser Geschichte und Legenden um die Abschottung gegen die gefürchteten Fürsten und Vögte zu bedienen. Insbesondere, um die ihrer Meinung nach unabdingbare Notwendigkeit der Schweiz als eigenständige Nation zu beschwören. Bei ihrem Ziel, sich gegenüber Europa und der Welt abzuschotten, werden ihnen die aktuellen wirtschaftlichen Probleme Europas und der enorme Flüchtlingszustrom in die Hände spielen.
Braten der Schweizer „National“-Wurst Cervelat gehört für viele Schweizer zu einer „richtigen“ 1.-August-Feier
Bei aller berechtigten Kritik gegenüber der europäischen Politik – wenn es denn eine solche überhaupt noch gibt – sei deshalb die Frage erlaubt, was wir heute eigentlich feiern. Mit der Annahme der „Masseneinwanderungsinitiative“ hat sich die Schweizer Bevölkerung jedenfalls in ein arbeitstechnisches Fiasko katapultiert, dessen Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung noch nicht absehbar sind. Aktuell sieht es nicht gut aus, was die diesbezüglichen Verhandlungen mit Europa angeht. Denn auch wenn einige glauben, dass sich die Schweizer Verhandlungsposition nach dem Brexit verbessert hat, dürfte mit dem Austritt der Briten aus der EU die Schweiz in der Brüsseler Prioritätenliste noch weiter nach hinten gerückt sein.
Schweizer Neonazis stören die Feier auf der Rütliwiese, wo 1291 die Schweiz per Schwur gegründet worden sein soll.
Bleibt zu hoffen, dass die nationalistischen Tendenzen, die in Europa überall spürbar sind, der Angst gegenüber dem Fremden in der Schweiz nicht weiter Vorschub leisten. Wer heute als aufrechter Schweizer seine Wurst am Höhenfeuer brät oder Feuerwerkkörper abbrennt, sollte nämlich dabei auch sich selbst zuliebe an die anderen, an die „Fremden“ denken. Die „Fremden“, ohne die weder das Schweizer Gesundheitssystem noch das Bildungswesen, die Industrie oder die Dienstleistungsbetriebe funktionieren würden. Ich würde mir deshalb wünschen, dass heute wie glücklicherweise an den Feiern der letzten beiden Jahre die randalierenden und pöbelnden Rechtsradikalen (Schweizer Neonazis und Hooligans) dem Rütli fernbleiben.
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