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Vor zehn Jahren habe ich an dieser Stelle über ein besonderes Ereignis in Ulm geschrieben: das 125-jährige Jubiläum der Fertigstellung unseres Münsterturms, des höchsten Kirchturms der Welt. Wie es in Ulm Sitte ist, wurde dies selbstverständlich gebührend gefeiert – mit Ausstellungen, Führungen, Lichtinstallationen und Kunstprojekten. Die Festlichkeiten machten aber vor allem sichtbar, was uns Ulmer ausmacht: Gemeinschaft, Kreativität und die tiefe Verbundenheit zu unserem Münster. Der Turm war und ist ein Erlebnis – sei es bei Tag mit einem traumhaften Blick über Ulm, oder bei Nacht, wenn LED-Leuchten das gotische Bauwerk in Szene setzen.

Aber wie alles im Leben, ist wohl auch ein Weltrekord endlich.

Die Sagrada Família überholt uns

Nur 40 Kilometer von Ulm entfernt, in Gundelfingen, arbeitet eine Firma in diesem Moment an einem Projekt, das unseren Rekord zum Wanken bringt – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn dort wird das riesige, begehbare Glaskreuz gebaut, das bald auf dem Mittelturm der Sagrada Família in Barcelona montiert wird. Dieses Kreuz wird den Ulmer Kirchturm um elf Meter überragen. Bisher hat man das als Ulmer entweder nicht wirklich ernst genommen, ganz nach dem Motto: „Die werden ja eh niemals fertig mit ihrem Bauwerk“. Oder man hat sich überlegt, wie man den Rekord halten könnte. Wie groß der Wunsch im Städtle danach ist, hat zuletzt die starke Reaktion auf den Aprilscherz eines regionalen Radiosenders gezeigt. Aber mal ehrlich, eine meterhohe Antenne auf unser Turmkreuz zu setzen, schadet nicht nur der Optik. Der ohnehin verwitterungsanfällige Sandstein, aus dem unser Wahrzeichen besteht, dürfte eine solche Last kaum tragen. Bis zum 10. Juni 2026, dem 100. Todestag des Architekten Antoni Gaudí, soll also das Kreuz auf dem 172 Meter hohen Mittelturm der Basilika montiert sein. Und damit endet unsere Ära als Stadt mit dem höchsten Kirchturm der Welt. 

Was bleibt?

Für viele in Ulm ist das mehr als nur ein Zahlenspiel. Es fühlt sich an wie das Ende eines Kapitels. Die Verantwortlichen der Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH überlegen bereits, wie man künftig über das Münster spricht – neue Formulierungen, neue Flyer, neue Titel. „Das Münster bleibt ja das Münster“, erklärt man dort bereits. Und ich denke, Sie haben Recht.

Denn auch wenn der Titel bald nach Barcelona wandert, bleibt das Ulmer Münster ein einzigartiges Bauwerk mit einer noch einzigartigeren Geschichte. Gebaut nicht von Fürsten oder der Kirche, sondern von Bürgern – mit Weitblick, Mut und einem tiefen Gemeinschaftsgefühl. Seit 1377, als auf dem Fundamentstein 100 Goldstücke von Stadt, Patriziern und Volk niedergelegt wurden, ist dieses Bauwerk ein Symbol für Zusammenhalt.

Und vielleicht ist genau das der eigentliche Rekord.