Letzte Woche ging es für vier unserer PR-Redakteure auf den Kommunikationskongress des BDP (Bund Deutscher Pressesprecher) in Berlin. Jeder hat davon eigene Eindrücke mitgenommen:
Melanie Wallner:
Am Mittwoch ging es für mich von einer Großstadt in eine andere – der Kommunikationskongress wartete auf mich. Gleich das erste Thema „Media Relations 2.0“ klang interessant. Vortragende war Britta Meyer, Social Media-Verantwortliche bei Audi. Ich erwartete mir ein gutes Best Practice Beispiel, bekommen habe ich eine Präsentation darüber, was man mit viel, viel, viel Budget und einer Love-Brand machen kann. Es ist klar, dass es in diesem Fall einfach ist, den Journalisten und Kunden auch Facebook und Co. schmackhaft zu machen. Ernüchterung meinerseits, denn was tun, wenn das Unternehmen nicht so überaus beliebt ist? Ähnlich auch beim Vortrag von Patrick Kammerer, Direktor der Unternehmenskommunikation von Coca Cola Deutschland, zum Thema „Brand PR“. Der Fokus von Kammerer lag auf dem Produkt Fanta. Es ging um die Initiative zur Errichtung neuer Kinderspielplätze in Deutschland. Promi-Testimonial ist Sonya Kraus. Auch hier zeigt sich, wie viel möglich ist, wenn Geld und eine beliebte Marke dahinter stecken – für uns als PR Profis eine traumhafte Vorstellung. Wenn es doch nur immer so einfach ginge …
Andrea Wagner:
Auch ich habe mir vom Kongress einiges erwartet – und muss leider sagen, dass es eigentlich nur die „Underdogs“ unter den Referenten herausgerissen haben. Neben den durchgetrimmten Erfolgsstories der Großen waren sie authentisch und bodenständig. Vor allem Maja Schäfer von der Diakonie Deutschland (die sich die Redezeit mit der Dame von Audi teilte) war beeindruckend. Ihr ist es, zusammen mit einer Kollegin, gelungen, ohne großes Budget und Manpower viel Aufmerksamkeit auf die sozialen Berufe zu lenken – passgenau für die Zielgruppe und ohne Aufhübschen für die Presse. Kreativität, Einfallsreichtum und gesunder Menschenverstand gepaart mit einer herrlich erfrischenden Art – davon kann man als PRler wirklich etwas lernen. Die Realität ist nun mal nicht so rosig wie die Audi-Welt (hohes Budget, kaum Kritik aus der Netzgemeinde und eine zweite Social Media-Abteilung mit vielen Mitarbeitern, die sich um die Kunden und nicht nur die Presse kümmert). Wirklich gezeigt hat das der Kongress leider nicht, und ich persönlich hatte den Eindruck, dass die teilnehmenden Pressesprecher das auch gar nicht wollten – warum sonst hätten nach dem Audi-Teil des Vortrags über 50 Prozent der Anwesenden den Raum verlassen? Sie hätten bleiben sollen, denn im zweiten Teil gab es zur Abwechslung echte Anregungen für die eigenen Aktivitäten, die sich jedes Unternehmen leisten kann.
Rebecca Hasert:
Exzellenz in der Kommunikation – so lautete das diesjährige Motto der Veranstaltung. Auch wenn – wie bereits von meinen Kolleginnen angedeutet – viele der einzelnen Vorträge nicht wirklich bahnbrechende Erkenntnisse lieferten, zeigte sich in meinen Augen ganz klar, was einen herausragenden Kommunikator auszeichnet: Souveränität, Authentizität und ein Bewusstsein für das adressierte Publikum. Hier trennte sich in Berlin die Spreu vom Weizen. Statt des erwarteten, ehrlichen Einblicks in das Tagesgeschäft stand oftmals vor allem der Redner selbst im Mittelpunkt. In Erinnerung geblieben sind mir vor allem zwei Programmpunkte, die auf ihre eigene Art exzellent waren. Zum einen der Workshop von Philip Kalisch, freier Kommunikationsberater, der immer wieder zur Diskussion anregte und somit konkrete Praxiserfahrungen der Anwesenden zu Tage förderte – und das ganz losgelöst von einer bestimmten Fragestellung. Auch Jörg Howe, Leiter der Kommunikation der Daimler AG, glänzte in seinem Vortrag zur Krisenkommunikation vor allem durch ehrliche Meinung zum täglichen Spiel mit Kollegen, Journalisten und Co. – auf sehr unterhaltsame Art. Amüsant und anregend waren darüber hinaus die Keynotes von Schriftsteller Dr. Richard David Precht und Sportpsychologe Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann. Denn beide schafften es, mit der augenzwinkernden Betrachtung von heutigen Bildungsanforderungen bzw. Formkrisen bei Spitzensportlern, den Tellerrand der Veranstaltung zu überwinden.
Thomas Seibold:
Ich hatte mir nach der Eröffnungsbegrüßung und Keynote als erstes den Slot „Interne Kommunikation“ mit Vorträgen der Deutschen Bahn und der OTTO Group ausgesucht. Die Themen – „Herausforderungen der Mitarbeiterkommunikation“ und „Erfolgsfaktor Interne Kommunikation“ – waren der Erkenntnis geschuldet, dass heutzutage jeder Mitarbeiter im Unternehmen ein Kommunikator ist oder sein kann. Dieser Umstand stellt für viele Firmen nach wie vor Segen und Fluch zugleich dar. Denn wie schafft man den Spagat, sowohl die Vorteile intern zu nutzen und gleichzeitig die Kontrolle über die Interna nach außen zu gewährleisten? Wie der Worst Case in real aussieht, gab Jörg Howe von Daimler zum Besten. Die mit Eigenkritik gewürzten Einblicke anhand (s)eines normalen, mit Pleiten, Pech und Pannen gefüllten Tagesablaufs unter dem Motto „Globale Problemlagen zentral entscheiden“ sorgten für eine eigentlich selbstverständliche Erkenntnis: Die meisten Kommunikationskatastrophen könnten abgemildert oder gar vermieden werden, wenn die Leute nur etwas mehr miteinander kommunizieren würden – egal über welchen Kanal. Dass das Beherrschen der Social-Media-Klaviatur dafür alleine jedoch nicht ausreicht, war die Essenz einer Podiumsdiskussion mit Sprechern von Microsoft, Siemens, Danone, Sky Deutschland und depak: „Schreiben muss er/sie können! Und reden natürlich auch.“ Und hier schloss sich der Kreis thematisch zu einigen der hervorragenden Keynotes, die sich mit dem Geburtenrückgang in Deutschland und der „Schema F“-Ausbildungskultur an Schulen und Universitäten beschäftigten. Was mir noch auffiel: Je größer ein Unternehmen ist, umso stärker wird die Budgetkeule geschwungen. Dafür kommen kleinere Firmen mit weniger Geld oft mit pfiffigeren Ideen an. Das Paradebeispiel dafür war die Berliner Stadtreinigung, deren Konzept zur Mitarbeitergewinnung und Imagepflege einige der anwesenden „Global Player“ mit großem Namen ziemlich alt aussehen ließ.
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