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Ob Smartphone-Filmchen oder mit der Kamera gedrehtes Video: Guter Ton ist der halbe Film. Denn während Youtube-User über eine schlechte Bildqualität oder kleine Bildstörungen hinwegsehen, verzeiht das Publikum einen schlechten Ton meistens nicht. Doch mit etwas Planung und preiswertem Equipment ist eine saubere Sprachaufnahme möglich.

Sind Sie auf Youtube auch schon mal über Content mit schlecht verständlichem, verrauschtem oder verzerrtem Ton gestolpert und haben das Videogucken (besser: das Zuhören) nach wenigen Sekunden aufgegeben. Ich hatte erst gestern so ein Erlebnis: Da sitze ich mit Ohrhörern auf dem Sofa und höre, wie mir der Sprecher im How-to-Video ins linke Ohr plärrt. Rechts war’s still wie nachts auf dem Friedhof. Stiller wahrscheinlich. Angenehm war das nicht. Somit war das Video für mich nach 15 Sekunden zu Ende …

Damit Ihre Videos nicht nur gut aussehen, sondern auch gut ins Ohr gehen, hier ein paar Tipps zur Sprachaufnahme. Keine Angst: Teuer wird’s nicht. Auch mit preiswertem Equipment lassen sich schon gute Resultate erzielen. Was Sie aufwenden müssen, ist hauptsächlich Zeit. Die zu investieren, lohnt sich.

1. Die Location begutachten

In schallharten Räumen lassen sich gute Sprachaufnahmen nicht so leicht anfertigen. Nun werden Sie wahrscheinlich Ihre Produktpräsentation oder Ihr Interview weder im Badezimmer noch in der Kirche drehen wollen; aber auch Büros mit nackten Wände und großen Fensterflächen sorgen für reichlich Hall.

Suchen Sie sich eine Location, die wenig Hall hat. Um die akustische Eignung zu prüfen, klatschen Sie einfach in die Hände und horchen auf das Echo. Wechseln Sie ggf. in einen hallärmeren Raum oder sorgen durch (außerhalb des Bildausschnitts drapierte) Teppiche, Decken etc. für weniger Schallreflexionen.

In der Öffentlichkeit oder auf einer Messe sollten Sie dichte Menschenansammlungen für die Aufnahme meiden, sonst kommen die Gespräche Ihrer Nachbarn mit auf die Tonspur. Gehen Sie auf einen Gang oder evtl. vor die Messehalle, um Abstand zu den „Störquellen“ zu schaffen.

2. Nebengeräusche bei Sprachaufnahmen vermeiden

In Innenräumen Rechner, Drucker, Telefone, Kühlschränke oder die Klimaanlage für die Zeit der Aufnahme möglichst abschalten. Damit die Geräusche von Autos, Wind und Regen Ihre Sprachaufnahme nicht verpatzen, auch die Fenster schließen.

Das ist nicht nur wichtig, um die Verständlichkeit der Sprachaufnahme zu verbessern. Wenn Sie das Video später schneiden und Tonpassagen mit unterschiedlichen Nebengeräuschen „aneinanderstoßen“, ist das irritierend.

3. Gönnen Sie sich (und Ihrem Publikum) ein Mikrofon

Lavalier-Mikrofon (Ansteckmikrofon) mit Popschutz aus Schaumstoff

Es muss kein Highend-Mikrofon sein. Viele 20-Euro-Mikrofone sind – richtig angewendet – besser als die eingebauten Mikros von gängigen Kameras.


Wer gerne mit dem Smartphone dreht, findet für ca. 50 Euro gute Ansteckmikros (auch Lavalier-Mikrofon oder kurz Lav oder Lapel genannt) mit dem für mobile Geräte üblichen TRRS-Stecker. Sie sind u.a. ideal für Interviews oder ein beim Drehen erzeugtes Voiceover und lassen sich via Adapter auch für andere Geräte nutzen.

Sogenannte Richtmikrofone (Video-Mikros) zum Aufstecken auf die System- oder Videokamera wirken auch oft Wunder – wenn sie nah an der Signalquelle sind, also vielleicht in einem Meter Abstand. Sie eignen sich daher gut zum Vloggen. Sprachaufnahmen aus zwei, drei Metern Distanz klingen mit ihnen zwar immer noch besser als die vom kamerainternen Mikro, aber nicht gut, denn so fängt man Umgebungsgeräusche und Raumhall mit ein. Ggf. das Mikrofon nahe der Schallquelle platzieren und mit einem Kabel anschließen.

Eine Alternative für Interviews können auch Handheld-Reporter-Mikrofone sein. Mehr Infos zu Mikrofonen, ihren Eigenschaften und Einsatzgebieten finden Sie u.a. bei Anbietern wie Shure oder namhaften Händlern wie Thomann.

4. Im Freien an einen Windschutz denken

Wer Ton im Freien aufnehmen muss, sollte an einen Windschutz für sein Mikro denken. Das Mikro vom Wind abzuwenden, hilft schon ein wenig. Ein Schaumstoffüberzug für das Mikro oder noch besser eine „Dead Cat“ – eine fellige Mikrofonhülle – minimieren Windgeräusche.

Mikrofon mit „Dead Cat“ – einem Windschutz aus Kunstfell

5. Bei Sprachaufnahmen nah heran gehen

Wenn es um Sprachaufnahmen geht, gehen Sie mit dem Mikro nah ran. Nein, nicht ganz so nah wie ein Sänger – deren Mikros sind speziell für das ganz, ganz nahe Besprechen (Besingen) hergestellt. Aber nah eben. Bei Ansteckmikrofonen sind 20 cm unter dem Kinn ein guter Abstand, Richtmikrofone werden oft rund 50 cm weit weg, meistens ganz knapp außerhalb des Bildausschnitts platziert.

6. Ton beim Aufnehmen kontrollieren

Wenn möglich, hören Sie den Ton per Kopfhörer mit. Sie würden das Video ja auch nicht drehen wollen, ohne den Bildausschnitt zu kontrollieren. Zur Tonkontrolle eignen sich vor allem geschlossene Kopfhöher, da sie die Umgebungsgeräusche dämpfen. Beim Mithören merken Sie auch sehr gut, ob über das Mikrofon streichender Wind die Sprachaufnahme ruiniert oder ob Handhabungsgeräusche oder Kleidungsknistern mit aufgenommen werden.

7. Nehmen Sie den Ton auf einem guten Gerät auf

Wenn Ihr Aufnahmegerät (zum Beispiel Ihre Videokamera oder das Smartphone) hörbar rauscht, denken Sie über einen externen, kleinen Field Recorder nach. Die Geräte kosten ab ca. 100 Euro und übertreffen in der Aufnahmequalität meist die Audioverstärker auch teurer Kameras.

Bei separater Tonaufzeichnung müssen Sie Ton und Bild später synchronisieren. Lassen Sie daher den Kameraton mitlaufen – er ist wichtig als Referenz.

Stereo-Field-Recorder mit integrierten Mikros sowie Mikrofon- und Kopfhörerbuchse

In teurer Schnittsoftware lässt sich das Synchronisieren der Tonspuren automatisch erledigen. Wer preiswerte Video-Tools nutzt und den Ton manuell synchronisieren muss, sollte nach dem Start von Kamera und Sound Recorder dreimal in die Hände klatschen oder eine Filmklappe schlagen. Das kurze, laute Geräusch erkennen Sie im Videoschnittprogramm leicht wieder (sichtbar als Piks in der Wellenform der Tonspuren). So können Sie die separat aufgenommene Sprachaufnahme schnell an die passende Stelle unter das Video schieben, die Position kontrollieren und den Kameraton anschließend löschen.

8. Pegeln Sie den Ton von Hand aus

Bei der automatischen Tonaussteuerung (AGC, Automatic Gain Control) versucht die Kamera, laute Passage zu dämpfen oder den Pegel bei leisem Sprechen oder in Sprechpausen anzuheben. Gut für schnelle Vlogs. Aber AGC hebt bei leisen Stellen auch den Hintergrundgeräuschpegel an: Die Lautstärke Ihrer Sprachaufnahme „pumpt“. Wenn Sie von Hand aussteuern können, stellen Sie den Pegel so ein, dass die lautesten Stellen der Sprachaufnahme maximal etwa -12 dB bis -9 dB erreichen. Das lässt meistens genügend „Luft“, dass ein lautes Lachen nicht gleich zu üblen Verzerrungen führt. Übrigens: Zum Pegeleinstellen nicht „eins, zwei, drei – Test, Test“ sagen. Lassen Sie normalen Text sprechen oder führen Sie eine Unterhaltung während Sie den Tonpegel einstellen.

Wenn der Ton etwas leise erscheint, ist das nicht schlimm. Verstärken (bzw. „Normalisieren“) können Sie ihn zum Beispiel in den meisten Videoschnittprogrammen. Eine zu laute, übersteuerte Aufnahme zu retten, ist jedoch kaum möglich.

9. Geben Sie die Sprachaufnahme in Mono wieder

Wenn Sie nicht gerade einen Spielfilm drehen, sondern ein Interview, eine Präsentation o.ä., geben Sie die Sprachaufnahme am besten in Mono wieder. Wer mit zwei Mikros auf einer Stereospur aufgezeichnet hat, sollte den Ton später auf eine Monospur mischen. Kontrollieren Sie (mit Ihrem Kopfhörer zum Beispiel), dass der Ton im Ergebnis tatsächlich „in der Mitte“ landet und nicht nur auf dem linken oder rechten Kanal.

Waveform Sprachaufnahme

Probieren, probieren, probieren …

Nichts geht über Erfahrung. Probieren Sie aus, wo das Mikro am besten platziert ist. Oder nehmen Sie probehalber Ton in den Räumen auf, die für einen Video-Dreh in Frage kommen. Hören Sie sich Ihre Test-Aufnahmen in Ruhe an und prüfen Sie sie am PC, am TV oder mit guten und schlechten Kopfhörern.

Zum Sammeln von Erfahrungen bietet es sich übrigens an, eine fremde Stimme aufzunehmen, die Sie gut kennen, denn die eigene Stimme klingt stets ungewohnt.

Gute Videos über den guten Ton

Natürlich ersetzen diese Tipps keine Ausbildung zum Sound Recordist oder Sound Mixer. Aber vielleicht habe ich Ihr Interesse geweckt, mehr über das Thema zu erfahren. Ein paar Videos zum Thema Sprachaufnahme und Sound Recording on Location finden Sie zum Beispiel in unserer Youtube-Playlist:

Bonus-Tipp: Empfehlungen für die Nachbearbeitung von Ton- bzw. Sprachaufnahmen

Als kostenlose und umfangreiche Lösung zur Nachbearbeitung von Sound hat sich Audacity bewährt. Wer wenig Zeit zur Nachbearbeitung hat oder sich nicht in Software einarbeiten möchte, findet bei Auphonic einen Web-Service, bei dem bis zu zwei Stunden Sound pro Monat kostenlos und automatisch optimiert werden können.

Zum Abschluss noch zwei Beispiele aus eigener Produktion

Sprachaufnahme mit 2 Lavalier-Mikrofonen Azden EX503i (zusammen ca. 90 Euro), 2 Adaptern TRRS auf TRS Røde SC3 (zusammen ca. 30 Euro), Field Recorder Tascam DR-05 (ca. 100 Euro), Mono-Stereo-Adapter, diversen Kabeln und Kopfhörer; Ton wurde nachbearbeitet mit Audacity

  

Sprachaufnahme mit Røde Videomicro (ca. 60 Euro), Field Recorder Tascam DR-05 (ca. 100 Euro), diversen Kabeln und Kopfhörer; Ton wurde nachbearbeitet mit Audacity