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Als schwäbisches Urgewächs darf ich wohl behaupten, „Made in Germany“ zu sein. Und so erlaube ich mir, einen Blick auf die inflationäre Verwendung des Qualitäts-In-Begriffs zu werfen. Ob Autos, Gas-Grills und Hohlwaren oder Softwareprodukte, Logistik-Dienstleistungen und Supermarktketten – deutsche Qualität und Zuverlässigkeit ist buchstäblich in aller Munde. Auch im Journalismus und unter Redakteuren findet sich das Gütesiegel als scheinbar wichtiges Differenzierungsmerkmal. Doch was bedeutet eigentlich Qualitätsjournalismus? Was verleiht der professionellen Schreibe besondere Wertigkeit? 

Was bitteschön ist Qualitätsjournalismus? 

Bevor ich mir gleich selbst den Kopf zerbreche, befragen wir zunächst den weltweit führenden Fast-Food-Wissens-Lieferanten Google. Meine erste Recherche dauert nicht lange und ich finde auf den Seiten der Deutschen Journalistenakademie folgenden Hinweis: „Qualitätsjournalismus ist ein Schlagwort, das die professionelle Redaktion vom Laienjournalismus abgrenzen soll, deren Inhalte meist kostenlos verfügbar sind. Geprägt haben den Begriff Zeitungsverlage. Die journalistische Berufsethik entspricht den sieben Kriterien für den sogenannten Qualitätsjournalismus:

  1. Wahrhaftigkeit – also das Streben nach Wahrheit
  2. Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation
  3. Sachlichkeit bei der Berichterstattung
  4. Unparteilichkeit im Konfliktfall
  5. Argumentation statt Meinungsinflation
  6. Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit
  7. Vertraulichkeit“

Streben nach Wahrheit 

Das Streben nach Wahrheit ist eine prima Sache. Doch leider gibt es in den meisten Situationen keine absolute Wahrheit. Alles im Leben (und in der Kommunikation) ist eine Frage des persönlichen Standpunkts – der buchstäblichen Sichtweise auf die Dinge, die einem von dem Ort, an dem man steht, möglich ist. Selbst hochmotivierte Betrachter, die ihren Blickwinkel unablässig verändern, sehen immer nur jenen Bildausschnitt, der sich von diesem Standpunkt aus eröffnet. Und würde man alle Teilstücke aneinandersetzen, wären die Klebekanten so prominent, dass es vermessen wäre, das resultierende Big-Picture-Stückwerk als homogene, absolute Wahrheit zu bezeichnen. Sind wir Menschen also zur absoluten Wahrhaftigkeit in der Lage? Frau Nyendick meint: Nein, das sind wir nicht. Unser Bewusstseinsapparat scheitert hier an den begrenzten Möglichkeiten seiner Sinne.

Sorgfalt bei der Recherche

Daumen hoch. Aber auch hier ist das Dilemma des Bewusstseinsapparats vorhanden. Ausgerüstet mit einem 6-bis-7-Sinne-Apparat, einem Supercomputer namens „Neokortext“ und der Megadatenbank „Unterbewusstsein“ wurschtelt jeder Schreiberling an seiner ganz eigenen Version von Wirklichkeit. Und die hat dann wenig bis nichts mit dem zu tun, was wirklich ist. Jeder hat seine ganz eigene Realität und wir nähern uns über try-and-error oder gegebenenfalls über ähnliche Wertvorstellungen einander an. Die Informationsbeschaffung bei Dritten ist eine Möglichkeit, die eigene Matrix zu durchbrechen. Doch wieviel externer Input ist nötig, um von der eigenen Meinung ggfs. Abstand zu nehmen und neu oder anders zu denken und zu bewerten?

Von den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der schreibenden Zunft

Sachlichkeit bei der Berichterstattung

Sachlichkeit verlangt, sich auf die Tatsachen einer Geschichte zu konzentrieren und ist wohl die angeheiratete Schwester der Objektivität. Gefühlsbetonte bzw. -beeinflusste Sichtweisen jeder Art sind verpönt und unerwünscht. Aha. Selbst wenn ich an den härtesten Journalisten-Haudegen denke, kommen mir Zweifel, dass ein Mensch mit Herzorgan dazu wirklich in der Lage ist bzw. es sein sollte. Krieg, Not, Armut, Hunger, Krankheit, CORONA, Trump & Co…. Das sollen wir völlig versachlicht transportieren? Frau Nyendick meint: Nein, das können wir nicht. Und das ist auch gut so.

Unparteilichkeit im Konflikt

Ein wirklich guter Schreiber kann alles schreiben, ohne dass seine persönliche Meinung zu diesem Thema deutlich zu Tage tritt. Das stimmt wohl. Doch mit Verlaub: Ich kenne meine Kollegen nun schon teilweise 20 Jahre und ich kann es buchstäblich lesen, wenn ihnen ein Thema auf den Geist geht. Es springt mich zwischen den Zeilen an, wie eine übellaunige Katze. Frau Nyendick meint: Vollständige Unparteilichkeit bedeutet, dass weder verbale noch nonverbale Kommunikation meine Meinung ausdrückt. Geht das? Bei einem Roboter vielleicht.

Argumentation statt Meinungsinflation

Daumen hoch. Nur eine kleine Anmerkung: Meinung ist die Geburtsstätte des Arguments.

Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit

Alle Daumen hoch, inklusive Daumenzehen. Wäre da nicht das kleine Problem des bezahlten Content. In den schnöden Untiefen des sogenannten Fachjournalismus hat sich die Sitte etabliert, Druckkostenzuschüsse, Publikationsentgelte oder ähnlich getarnte Werkzeuge zu nutzen, um die monoton fallenden Anzeigenengagements der Unternehmen aufzufangen. Es sei gesagt, dass Geben und Nehmen sich in allen Lebenskontexten die Waage halten sollte, also auch Redaktion und Anzeige. Schließen müssen die Verlage ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch entlohnen. Doch Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit ist schon lange perdu. Auch im Tages- oder Wirtschaftsjournalismus ist dies zu finden. Hier nennt sich das Phänomen beispielsweise „Themen-Beilage“. 

Vertraulichkeit

Hier lass ich es abschließend mal bei Daumen hoch.

Ist der Qualitätsjournalismus verloren?

Ist nun alles dahin? Ganz und gar nicht. Es wäre nur schön, das Visier der journalistischen Arroganz etwas hochzuklappen. Redakteure, Kommunikateure und PR-Berater sind wirklich bemüht, qualitativ hochwertige Geschichte zu erzählen. Und dem einen gelingt es besser, als dem anderen. Werfen wir also in meinem nächsten Blog einen zweiten Blick auf die Gründe von Erfolg und Misserfolg, wenn es um Qualitäts-Geschichten geht.

Nur noch eines vorweg: Ich erspare mir die langweilige Diskussion, wie sich Journalisten und PR-Berater unterscheiden. Ich setzte hiermit voraus, dass Journalisten und PR-Berater der Press’n’Relations in ihrer Berichterstattung gleichermaßen bemüht sind, aktuelle, relevante und spannende Geschichten zu erzählen, die den o.g. Grundsätzen menschenmöglich folgen.

Und noch etwas: Menschen mit großer Einflussnahme sollten vor allem zwei die Dinge tun: bescheiden und umsichtig handeln und wenn möglich auch sein.

In diesem Sinn

Herzliche Grüße

Monika Nyendick