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Wir fahren, fahren, fahren auf der Autobahn

Zeit und Raum, Geschwindigkeit und Strecke, Beschleunigung und Pause – seit letzter Woche weiß ich nicht nur, dass das alles irgendwie miteinander zusammenhängt, ich habe es auch selbst bemerkt, gefühlt, erlebt. Gewissermaßen selbstens also. Und ich weiß jetzt: Zur klimafreundlichen Überwindung räumlicher Distanzen braucht es Langmut, Humor und vorausschauende Planung. Aber von Anfang an.

Um Ruhm und Ehre unserer Klienten aus der Energiebranche zu mehren, fährt das Energie-Team (Uwe Pagel, Rebecca Horn, Ralf Dunker und ich) jedes Jahr im Februar nach Essen zu E-world. Dort begleiten wir die von uns vorbereiteten Pressekonferenzen und Einzelgespräche unserer Kunden. Wie jedes Jahr wollen wir am Tag zuvor – vorbildlich klimafreundlich – per Bahn anreisen. Das ist neben der sozialen Verantwortung natürlich auch viel komfortabler und schneller. Außerdem kann dann jeder aus dem Team am Laptop arbeiten, herumlaufen, das Bordbistro – sofern es geöffnet ist – besuchen, einfach aus dem Fenster schauen oder dösen. Doch daraus wurde nichts – wegen Sabine, also dem Sturm, der bereits Tage zuvor angekündigt wurde.

(Copyright Google Maps)

Wer jetzt gedacht hat, wir begegnen der angekündigten Einstellung des Bahnverkehrs einfach durch den Umstieg in ein langsteckentaugliches Benzin- oder Dieselgefährt, hat die Rechnung ohne unseren Chef gemacht. Als Very-Early-Adopter fährt er nämlich seit einigen Monaten voller Begeisterung ein rein elektrisch angetriebenes Auto, das zwar nicht die Reichweiten vergleichbarer Benzin- oder Dieselmodelle aufweist, aber extrem viel Raum für Fahrgäste bietet, fußgängergefährlich leise ist und sportwagenfahrereinschüchternde Leistungs- und Beschleunigungswerte zeigt. Mit diesem Gefährt machten wir uns auf den Weg nach Essen.

Los gehts!

Auf dem Tachometer des leise aus dem Hof rollenden CO2-Vermeiders steht: Reichweite 380 Kilometer. Da wir bis nach Essen über 500 Kilometer zurückzulegen müssen, ist also mindestens ein Rastplatz- bzw. Ladeaufenthalt eingeplant. Auf dem Bildschirm des sich wildkatzenartig über den Asphalt bewegenden Automobils erscheinen während der Fahrt automatisch immer wieder Vorschläge, wo sich geeignete Ladestationen befinden sollen. Gleichzeitig melden zwei weitere Apps auf dem Smartphone des Eigners zusätzliche Ladestationen, die von anderen Anbietern, z.B. Energieversorgungsunternehmen, unterstützt werden. So sind wir alle mehr oder weniger frohgemut, ohne reichweitenbedingt längere Pausen ans Ziel zu gelangen.

(Copyright Bundesnetzagentur)

Mit der Bahn benötigt man für diese Strecke zwischen vier und fünf Stunden, mit dem Auto auf halbwegs straufreien Straßen zwischen fünf und sechs Stunden. Wir kamen nach ca. siebeneinhalb Stunden in Essen an. Das lag nicht an der Verkehrssituation, sondern an der noch nicht durchweg erfolgten Vereinheitlichung der Lade- und Abrechnungsmodalitäten. Und an den unterschiedlichen Ladequellenkapazitäten, die ja bekanntlich die Länge der Ladezeitdauer bestimmen. In Kürze: Je mehr Kapazitätsabgabe und Fassungs- bzw. Aufnahmevermögen des E-Autos, desto schneller der Ladevorgang. Je nach Ausstattung der Ladesäulen auf deutschen Rasthöfen hat man dann für eine empfohlene 80-prozentige Aufladung zwischen 20 Minuten und zwei bis fünf Stunden Zeit. Angesichts dessen, dass die auf der ersten Raststätte angebotenen mickrigen Ladekapazitäten ungefähr der Vielfalt der gastronomischen Highlights entsprach, entschlossen wir uns, lieber einen weiteren Halt einzulegen. Vielleicht sind dort höhere Ladekapazitäten anzutreffen…

Drive-Break-Balance

Allgemein wird ja empfohlen, auf längeren Autorreisen nach etwa zwei Stunden eine Pause von 15-20 Minuten einzulegen. Das halte den Körper fit und steigere die Konzentration. Als wir Essen erreichten, waren wir alle sehr entspannt, gelöst und konzentriert. Denn umgerechnet hatten wir auf den 510 Kilometern über 30 Minuten Ruhepause – und zwar jeder einzelne von uns. Kraftwerk würde heute singen: „Wir fahren auf und stehen an und fahren auf und stehen an und fahren auf der Autobahn…“

Wir schaffen das!

(Copyright Bundesnetzagentur)

Zu den weiteren positiven Erfahrungen auf dieser Tour gesellte sich zudem das Gefühl, dass die Überwindung räumlicher Strecken immer noch eine Herausforderung sein kann, die es gemeinsam zu meistern gilt. Welcher Ladestellen-App ist zu vertrauen? Gibt es auch Verträge mit diesem oder jenen Anbieter? Akzeptiert die Ladesäule meine Kreditkarte? Wer schaut alle fünf Minuten nach, ob der Wagen auch tatsächlich geladen wird? Wer darf die nächste Etappe hinter das Lenkrad? Eco-, Comfort- oder Sport-Modus auf der Autobahn? Sich Fragen wie diesen zu stellen, wäre sicherlich eine geeignete Agenda für eine Teambuilding-Maßnahme nachhaltig gestimmter Unternehmen.

Ich will Spaß, ich geb Gas!

Nicht unerwähnt darf bleiben, dass zusätzlich zu den bereits erwähnten Vorzügen das Fahren mit einem elektrisch angetriebenen Automobil verdammt viel Spaß macht. Der Wagen unseres Chefs ist geräumig, leise, wendig und hat eine bemerkenswerte Sound-Anlage – Cruisen kann so schön sein. Und wer schnell sein Ziel erreichen will, wird auch bedient. Zugegeben – für die erstaunlichen Leistungs- und Beschleunigungswerte (294 kW/400 PS, 0-100 km/h: 4,8 s.), sollten Fahrzeuglenker/innen aber eine gewisse Charakterstärke mitbringen.