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Verreisen oder bleiben? Und bei welchem Soundtrack?

Gestern hat es geregnet, heute ist es bewölkt. Dabei hat die GfK gestern den Sommerhit 2019 gekürt: Señorita von Shawn Mendes und Camila Cabell. – Ich wollte ja immer mal die Unterschiede erkunden, die meine Sommerliedervorlieben von denen aktuell verkündeter Sommer-Hits zwischen Stranddisco-Halligalli und Summertime Sadness trennt. Doch davon später. Jedenfalls habe ich mir heute vorgenommen, was über den Sommer zu schreiben. Ist ja grad voll angesagt wegen der aktuellen Jahreszeit natürlich und den Urlaubsreisen, klimawandelbedingten Temperaturen und Waldbränden und Krankheiten und so.

Als ein In-den-Sommerferien-Nichtwegfahrer fällt das mit dem Verreisen aber schon mal weg. Da könnte ich vielleicht noch Tipps für Sommerferien-Dableiber geben. Also nach einer Aufzählung von verstopften Autobahnen, vollen Zügen, hektischen Bus- und Bahnsteigen sowie Flughäfen noch schnell die ferienbedingt hohen Preise erwähnen. Dem schlösse sich eine Argumenation an, die eine Lanze bricht, in dieser Zeit die touristischen Wege freizulassen für jene, die diese Zeit nutzen können bzw. müssen zur Erholung, Entspannung und zum Durchatmen jenseits von kindergarten-, schul- und arbeitstechnisch bedingten Anforderungen und Terminen. Also Strand und Meer, Berg und Tal oder Stadt und Kultur statt Frühstückmachen, Meetings und Elternabende! Aber auch die langsam zur Geschlechtreife sich wandelnde Nachkommenschaft hat ja oft nur in diesen Wochen Gelegenheit, in klimatisch heitereren Gegenden alltagsferne und analoge Erfahrungen auf ungewohntem Terrain ohne Smartphone-Filter zu machen. Also lieber abtanzen, Party machen und Action satt als gebückt auf dem Handy hin und her zu wischen.

Dann käme eine Aufzählung der Vorzüge, im Sommer einfach zu Hause zu bleiben, um dort in den Räumlichkeiten, auf Balkon, Terrasse oder im Garten mal so richtig abzuwohnen – egal, ob man nun arbeitet oder Urlaub hat. Oder die eigene Region zu erkunden, jetzt, wo alles viel schneller zu erreichen und leerer ist. Zugegeben, manche Einrichtungen touristischer wie gastronomischer Art haben dann auch in hiesigen Regionen Sommerpause. Aber bei gutem Wetter bleibt dann noch Picknick und kühlende Kirchen. Die sollten entweder das Ulmer Münster sein oder katholisch, denn die sind im Gegensatz zu den protestantisch geführten fast immer geöffnet.

Regionale Reize

Als weitere Alternativen könnte ich noch erwähnen, dass vor Ort liegende Ziele geradezu darauf warten, entdeckt zu werden. Das können in der Ulmer Umgebung landschaftlich reizvolle Ziele wie das Kleine und Große Lautertal sein oder die etwas schroffere Gegend der Ostalb um Aalen. Erst letztes Jahr machte ich dort auf sommerlichen Touren interessante Entdeckungen rund um Höhlen, Burg- und anderen Anlagen, deren Unzugänglich- und Wehrhaftigkeit nur noch von dem dort herrschenden Dialekt übertroffen wurde. „Wandrer, kommst Du in die Aalener Gegend, so wisse: Hörst Du von fernher Gebell, so sei Dir nicht bange. Das müssen keine beißende Hunde sein, sondern – hiesiges Gelände durchstreifend – Heinz, Georg und Wolfgang in leidenschaftlichen Gesprächen begriffen .“

Abenteuer von zuhause aus

Derartigen Abenteuern Abgeneigten sei in diesen Sonnenzeiten natürlich die Lektüre jener Bücher anempfohlen, für die im Trubel des beruflichen Alltags kaum Zeit bleibt. Auf dem Balkon oder auf der Terrasse behaglich ruhend und in Griffweite kühlender Getränke kann man sich Erzählungen und Geschichten überlassen, deren Sätze aus mehr als 15 Wörtern bestehen und die bis zu siebenmal dicker sind als der eigene zugeklappte Laptop. Ohne sich persönlich gefährlichen Situationen auszusetzen, wie etwa freilaufenden Hunden in der Ostalb oder hotelliegenreservierenden und beinah-kampferprobten Bundeswehr-Reservisten auf Mallorca, erlaubt das heimische Lesen ein oftmals ebenso erfrischendes wie aufregendes Abtauchen in andere Welten.

Und wer hierfür eine oder zwei Wochen Zeit hat, kann sich auch noch größeren literarischen Herausforderungen stellen. Ich mache das ja hin und wieder gern. Also jetzt nicht gleich alle großen Romane von Thomas Mann. Aber vielleicht endlich mal die Josef-Trilogie. Vorgenommen habe ich mir das schon, wirklich! Tatsächlich lese ich dann aber mehrere Krimis eines Autors in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Das gelingt bei manchen recht schnell, bei anderen etwas schneller. Zur Zeit begleite ich Bruno Courrèges, dem von Martin Walker ersonnenen Dorfpolizisten, auf seinen kriminalistischen Abenteuern im gastronomischen Herzen Frankreichs. Da ich dazu neige, manche Marotten der dort agierenden Personen unbewusst oder bewusst zu übernehmen, werde ich wohl mit Band 11 erheblich zugenommen haben. Die gesamte Maigret-Reihe von Simenon werde ich hingegen wohl erst im Ruhestand schaffen.

Sommerliche Liederlichkeiten

Und was ist jetzt mit den Sommerliedern? Oje, bin ja völlig abgeschweift. Vielleicht so: Es gibt es ja den Brauch, dass Journalisten in Special-Interest-Magazinen aber auch in überregionalen Tages- und Wochenzeitungen ihre musikalischen Empfehlungen und Tipps in Form von Playlists geben. Ich will jetzt nicht Gershwins melancholischen „Summertime“ bemühen – in den durchweg hörenswerden Interpretationen von Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan oder Shirley Horn – sind ja schließlich allbekannte Klassiker. Aber wer die ganze interpretatorische Bandbreite eines Sommer-Klassikers kennenlernen will, kann sich ja mal zwischen Janis Joplins rauer Stimme und der jazzigbreiten Version von Norah Jones zu entscheiden versuchen.

Ach ja – und hier noch einer der Sommer-Songs meiner Jugend: Summer in the City von Lovin‘ Spoonful. Die textile Gewandung der Musiker mal außer Acht lassend, klingt das immer noch etwas leichter, ungestümer und eine Spur wilder als die verbreitete Version von Joe Cocker, die sicher etwas rauher rüberkommt, aber deren hämmernder Rhythmus eher schon herbstliche Stiefel trägt als sommerliche Sneakers. Wer hingegen Erfrischung sucht im klimatischen Sommer, der möge sich zwar fragen: „Have you ever seen the rain“ von Credence Clearwater Revival, aber nicht zu genau auf den Text hören, denn der verspricht eher bleibende Abkühlung nach sommerlich gestimmten Lebenszeiten.

Und hier noch was aktuell aufmunterndes zu den Unterschieden von offiziellen Sommer-Hits und eigenen Vorlieben aus berufenerer Quelle, nämlich von Matthias Kalle, der gestern im ZEITmagazin-Newsletter folgendes vom Sommerhit 2019 hält:


„Ist es Ihnen auch völlig egal, dass das Marktforschungsunternehmen GfK jetzt den Sommerhit 2019 gekürt hat (so viel abschließend zum Thema Pop und Politik)? Das Lied heißt Señorita (und hießen nicht die Sommerhits der Jahre 1999-2018 genauso?) und ist scheiße. Besser ist da natürlich Platz 8 auf unserer ZEITmagazin-Sommerplaylist: High von Sir Sly. ‚It feels good for the first time in a long time now.‘

So viel zum Sommer, das nächste Mal dann wieder was zu PR und Unternehmens- und Produktkommunikation und Social Media …