');

Mein Kind ist weg – mal wieder. War ich vor vier Jahren einfach nur irritiert, als der junge Herr mir verkündete, er würde sich nun ans andere Ende der Welt begeben, weiß ich heute: Es geht immer noch weiter. Um sich von den unsagbaren Strapazen des Abiturs zu erholen, ging es damals für acht Monate nach Neuseeland, das Auslandssemester absolviert er nun in Schanghai. Dabei geht es hier nicht um die in Kilometern gemessene Entfernung, sondern um eklatante kulturelle Distanzen. Besonders bemerkbar macht sich dies bei den Kommunikationslösungen, denn alle von uns täglich genutzten Kanäle – wie beispielsweise WhatsApp, Twitter oder Facebook – stehen im Land des Lächelns schlichtweg nicht zur Verfügung.

Was tut man als Mutter, wenn man trotzdem wissen möchte, ob der Bub genügend Essen und Schlaf bekommt – und gewissenhaft lernt? Genau, man registriert sich beim beliebtesten (und auch einzigen) Messenger-Dienst Chinas: WeChat. Zunächst wurde WeChat als Pendant zu WhatsApp für Smartphones entwickelt, mittlerweile regelt die App jedoch den kompletten Alltag der Chinesen. Ob Bezahlen beim Einkauf oder Restaurantbesuch, Überweisungen tätigen, Termine beim Arzt oder der Behörde buchen: Hierfür wird lediglich diese eine App benötigt. Selbst die Ausweispapiere ersetzt die Anwendung. Knapp eine Milliarde User verzeichnet WeChat vom Internet-Riesen Tencent. Zwar stellt die chinesische Bevölkerung den Löwenanteil der Anwender – schließlich leben dort derzeit rund 1,4 Milliarden Menschen – doch Tencent plant, weltweit zu expandieren. Darum steht WeChat nun auch in zahlreichen Ländern außerhalb Asiens zur Verfügung.

Datenschutz – welcher Datenschutz?
Stellt sich die Frage, was mit all den Daten passiert, die durch den täglichen Gebrauch anfallen. Nach dem Studieren der Datenschutzrichtlinien  – die glücklicherweise auf Deutsch vorliegen – bin ich froh, dass WeChat in der Bundesrepublik derzeit lediglich als Nachrichtendienst zur Verfügung steht. Jeder Datenschutzbeauftragte erleidet schon beim Lesen der ersten Zeilen einen mittleren Nervenzusammenbruch. Der Hinweis, dass die Server von Tencent überall auf der Welt stehen und die erhobenen personenbezogenen Daten auf einem solchen daher außerhalb der Gerichtsbarkeit gespeichert sein können, erschien mir im digitalen Zeitalter noch wenig ungewöhnlich. Ich konnte jedoch weder herausfinden, wie lange meine Inhalte gespeichert werden (selbst bei der Handhabung nach der Kündigung des Dienstes legt sich Tencent nicht fest), noch ob und welche Schutzmechanismen bei der Übertragung dieser greifen. Ich musste nicht einmal zwischen den Zeilen suchen, um zu erfahren, dass die chinesischen Sicherheitsbehörden jederzeit Zugriff auf alle Daten haben und diese auch auswerten. Schließlich erfuhr ich auch noch, dass meine Informationen freizügig an Dritte zu Marketingzwecken weitergeleitet werden. Beutetet dies nun, ich bekomme künftig chinesische Werbung? Bei dem Gedanken daran sowie an den ersten Satz in den Richtlinien – „Wir schätzen Ihre Privatsphäre sehr“ – musste ich dann doch herzhaft lachen, denn die Doppeldeutigkeit dieser Aussage passt einfach genau zu meinem Humor. Mir wäre lieber, wenn Tencent meine Daten „schützen“ statt „schätzen“ würde!

Fazit
Für die Dauer eines Semesters können die chinesischen Sicherheitsbehörden nun also mitlesen, wie eine Mutter aus Deutschland mit ihrem Sohn kommuniziert – und das dürfte nicht besonders spannend werden. Alle weiteren Zugriffe auf mein iPhone, wie beispielsweise auf meine Fotos oder den Ortungsdienst, habe ich bei der Registrierung verweigert und hoffe jetzt einfach, dass dies genügt. Neben meinem Namen und dem Land, in dem ich wohne, kennt WeChat lediglich meine Stimme: Bei der Registrierung musste ich mehrmals eine Zahlenreihe laut vorlesen, warum auch immer. Doch bei aller Vorsicht bin ich mir nicht wirklich sicher, auf welche Informationen die App tatsächlich Zugriff hat und alleine dieses Gefühl ist ein wenig gruselig. Wer keinen triftigen Grund hat, WeChat zu nutzen, sollte demzufolge die Finger davon lassen. Die Kritik von Seiten der Datenschützer hierzulande an WhatsApp und dem dazugehörigen Zugriff auf die Kontaktdaten erscheint dagegen fast schon drollig.