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StorytellingDurch meinen Chef Adrian Dister bin ich auf den Artikel: „Gaga-Storytelling: Wenn Werbung zur Märchenstunde wird“ der W&V aufmerksam geworden. Dieser Beitrag hat mich zu diesem Blog-Artikel inspiriert.

Es gibt Geschichten und es gibt Geschichten. „Gaga“ trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Egal, welche Art Ihnen begegnet, sie alle verbindet der schöpferische Geist. Aber sind sie deswegen gleich „gute“ Geschichten? Gute Geschichten haben für mich nur einen Bruchteil mit dem Handwerk des Schreibens zu tun und zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass sie wahrhaftig sind. Aber was meine ich damit? Ich will Sie mitnehmen auf einen kurzen Ausflug in eine andere Kunstform:

Die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit und das Streben danach begegnete mir bereits bei meiner Arbeit als Regisseur zusammen mit Schauspielern. Es ist eine andere Form des Geschichtenerzählens, weil sie direkt über den Menschen geht.
Beim Schauspielern geht es nicht um das Wort „Spielen“, sondern um einen „Seins-Zustand“. Nämlich durch Körperlichkeit und Ausdrucksfähigkeit eine Figur zu sein.
Es geht nicht um das oberflächliche Illustrieren, sondern um das Erleben und Darstellen. Dabei meint Wahrhaftigkeit nicht, Unwahrheiten zu vermeiden, zu entwickeln und darzustellen. Das geht nämlich gar nicht. Geschichten dürfen und müssen sich allem bedienen, was der Mensch erschaffen hat. Geschichten haben also die unterschiedlichsten Zutaten, wie Leidenschaft, Eifersucht, Neid, Freundschaft und vor allem Liebe, um nur einmal die Hauptantriebe des Menschen zu nennen. Worum es aber geht, ist der Umgang mit diesen Zutaten nicht der Vermeidung dieser. Beim „guten“ Geschichtenerzählen geht es also darum, eine Geschichte zu kreieren, die den Menschen ernst nimmt.

Geschichten sind Instrumente. Sie dienen den unterschiedlichsten Zwecken, aber als reines Handwerk scheitern sie. Und ausgeführt von Menschen, die Geschichten als Selbstzweck entfremden, werden sie so notwendig wie Fußblasen.

Wie werden Geschichten nun wahrhaftig? Für mich ist die Antwort ganz einfach: durch Liebe. Liebe zu ihr selbst, wie zu dem, dem sie dienen. Liebe lässt die oberflächliche Illustration weg und genießt diesen „Seins-Zustand“. Liebe nimmt ernst. Eine Geschichte kann nur mit Liebe erschaffen werden, wenn sie den Blick nicht nach außen richtet und darüber nachdenkt, was andere erwarten und wollen, sondern wenn man sich die Frage stellt: „Was will ich geben?“

Niemand will gerne veräppelt, belogen oder hinter’s Licht geführt werden. Wir wollen in jeder Sekunde unseres Lebens wahrhaftig sein. Wir streben danach, egal ob wir essen, arbeiten oder lieben. Wir wollen ernst genommen, respektiert und akzeptiert werden. Wir wollen Ehrlichkeit und vor allem wollen wir geliebt werden. Warum also lieben wir nicht auch die Geschichten, die wir erzählen?

Was die Filmbeispiele bei W&V betrifft, diese haben viel mit dem Blick nach außen zu tun und lassen allesamt das Wichtigste vermissen: Wahrhaftigkeit durch Liebe zur Geschichte und zu der Aufgabe, über die Geschichte Gedanken zu kommunizieren, die kein anderes Marketingwerkzeug vermitteln kann. Zudem zerstört die Geschichte die beliebigen Fast-Food-Informationsautobahnen.

Bei den Produktfilmen ging es nicht um Käse oder Mode. Es ging darum, eine möglichst „ausgefallene und kreative Geschichte zu erzählen“, die dabei helfen soll, das Kaufinteresse des Kunden zu wecken. Und das ist der Blick nach außen, den ich meine. Warum mich die Geschichten weder amüsiert, bewegt noch angeregt haben, liegt daran, dass es nur um die Geschichte als Handwerkszeug ging – und das Wichtigste, die Liebe zur Wahrhaftigkeit, fehlte.

So kann man den Menschen auch kostbare Minuten ihrer Lebenszeit rauben. Sowohl was die Entwicklung dieser Geschichten betrifft, als auch, wegen ihrer Konsumation.
Die Geschichte als Instrument muss also ernst genommen werden. Sie darf nicht als Selbstzweck entfremdet und beliebig benutzt werden, wie die Informationsautobahnen. Eine „gute“ Geschichte zeichnet sich aus durch Liebe. Und Liebe ist der Zustand der Wahrhaftigkeit. Nur eine wahrhaftige Geschichte berührt, bewegt und erzählt etwas so, dass in den Lesern und Zuschauern nicht das Gefühl entsteht: „Was’n Scheiß, halten die mich denn für total bescheuert?“

Wir leben in widersprüchlichen Zeiten. Unser Hirn liebt Geschichten, aber gleichzeitig haben wir entweder keine Zeit mehr für sie oder benutzen sie als eine Art Zombievirus, um einander stumpfsinnig zu manipulieren. Was aber können wir in diesen Zeiten tun?

Wir können, bevor wir eine Geschichte erzählen, zunächst einmal darüber nachdenken, ob wir sie erzählen, um überhaupt etwas zu erzählen.  Sie also nur als Werkzeug benutzen. Oder, ob wir mit ihr tatsächlich etwas erzählen wollen. Etwas, das nicht auf die Fast-Food-Informationsautobahnen unserer vernetzten Welt passt: Eine Geschichte, die darum verbindet, berührt und bewegt, weil sie die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit in uns anspricht. Nach diesem Seins-Zustand. Und Wahrhaftigkeit ist nur möglich durch Liebe.

Bis zum nächsten Mal!