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Der Wecker klingelt, ein neuer Morgen. Gott sei Dank – oder oh mein Gott?

Viele Marketiers gehen abends mit der Hoffnung zu Bett, ein kleiner Heinzelmann würde in der Nacht die viel zu voll geschriebene Kopftafel mit einem großen Schwamm sauber wischen. Gedankentürme stapeln sich jeden Tag auf unserem geistigen Memory-Board – alle mit dem Wunsch nach dringender Bearbeitung. Produkte wollen ins beste Licht gerückt, Kundenwünsche priorisiert und Marktchancen ergriffen werden. Mit unendlich viel Energie graben wir uns gleich wahnsinnigen Wühlmäusen durch einen Berg an Chancen und Möglichkeiten – immer auf der Suche nach der zündenden Idee, dem einzigartigen Konzept, dem perfekten Text.

Oh, wie schön ist Panama
Manchmal beschleicht uns dabei ein unangenehmes Gefühl. Flüchtig wie ein Hasenpups schießt es durch unser Gehirn, dass wir eventuell an der falschen Stelle nach DER Lösung suchen. Vielleicht ist es auch nicht die falsche Stelle, sondern der fehlgeleitete Blick. Wie ein Seemann auf der Suche nach Land schauen wir durchs Fernglas in unendlichen Weiten – das innere Auge stets auf das Anderswo gerichtet. Denn Anderswo ist es schöner als hier. Dort muss die Idee zu finden sein, die uns erfolgreicher, attraktiver, einzigartiger macht. Wir analysieren Märkte, erforschen Kundenbedürfnisse, beobachten den Wettbewerb und diskutieren mit Meinungsmachern. Was wir dabei möglicherweise vergessen ist, dass die Initialzündung unternehmerischer Magie in uns selbst – beziehungsweise in unseren Kunden – lag und noch immer liegt. Schauen wir in den Rückspiegel, stellen wir fest, dass die Idee, aus der ein Produkt oder eine Dienstleistung erstmals geboren wurde, aus uns selbst kam. Am Anfang stand also der eigene Geist, die Lust am Denken und der Wille, etwas zu bewegen. Der Motor: Eigenantrieb. Das Ziel: Unser eigenes Ding zu machen und nicht in den Schuhen der anderen durchs Leben zu stolpern und uns zu ärgern, dass Füße und Seele Blasen werfen.

Anstatt also den Blick permanent nach außen zu richten, wäre es wohl die Mühe wert, einmal in uns selbst hineinzuhören und diesem Entdeckergeist nachzuspüren. Wer sind wir? Worin liegt unser Antrieb? Was wollten und wollen wir erreichen? Welche Eigenschaften haben uns dorthin gebracht, wo wir heute stehen?

Was wäre dann?
Wenn wir nur für eine Sekunde annehmen, dass wir es sind, die die Welt verändern – und nicht umgekehrt – was wäre dann? Marketiers, denen diese unpassende Frage zu schaffen macht, sind auf dem Weg, eine wichtige Diagnose für ihre womöglich unerfüllte Suche nach DER Idee zu stellen: Sie haben sich von ihrem Kern entfernt. Dem „Ich“, das ihr eigentliches Dasein rechtfertigt: ihr Unternehmen, ihr Produkt, ihre Herkunft. Sie leiden an akuter Selbstentfremdung.

Es soll nicht gesagt sein, dass Entwicklungen, Trends und Kundenwünsche unwichtig wären. Im Gegenteil. Doch Unternehmen, die ihr ganzes Schaffen danach ausrichten zu reagieren, berauben sich der Kraft des Agierens. Wer immer nur nach anderen schaut, kann sich selbst nicht erfahren. Die ureigene Stärke, die jeden Unternehmer authentisch macht, die Produkten ihren Charakter verleiht und Kunden Vertrauen schenkt. Vertrauen in einen Partner, der durch das Bewusstsein einer eigenen Identität und eine klare Ausrichtung zum souveränen Sparringspartner wird – und nicht zum Wunscherfüller jeder denkbaren (und undenkbaren) Anforderung. Viele Berater, Vertriebsmitarbeiter und Kundenbetreuer wissen heute nicht mehr um die Magie der Worte „Das hat keinen Sinn“. Statt dessen strecken sie sich zur Decke, um selbst den denkwürdigsten Kundenwunsch zu erfüllen – und wenn alle Stricke reißen heißt es: „Das geht nicht“.

Wäre es nicht wunderbar auf einen Geschäftspartner zu treffen, der dank eines selbstvertrauten Ichs in der Lage ist zu sagen „Ich gebe dir nicht was du willst, sondern was du brauchst“? Was dazu nötig ist? Die Antwort ist einfach und doch anstrengend: Ein Berater kann seinen Kunden dann verstehen, wenn er sich selbst versteht. Denn ein „Ich“ kann nur auf Augenhöhe mit einem „Du“ kommunizieren, wenn es sich selbst gewahr ist und annimmt.

I have a dream
Es wäre doch somit ein fantastischer Traum, wenn ein Unternehmen im steten Kampf um Erfolg und Kunden seine eigene Identität immer wieder aufs Neue erfährt und bewahrt – denn sie ist vielleicht die Basis jener unternehmerischen Intuition, die für den zündenden Funken verantwortlich zeichnet. DIE Idee. Auf der Reise in eine selbstbestimmte Zukunft sollte man sich an den Kreuzungen nicht für den Weg entscheiden, der Unternehmer dazu veranlasst, sich wegen einer SWOT-Analyse bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen.

In diesem Sinn: stay hungry, stay foolish (danke Steve)!