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Schmunzelnd sitze ich vor einem deutschen Text und überlege, ob das genannte „klassische Problem von Huhn und Ei“ auf einen immerwährenden Generationenkonflikt des Federviehs anspielt oder einfach nur eine unglückliche Übersetzung von „chicken-and-egg problem“ ist. Schlussendlich diente dieses Henne-Ei-Problem mir als Anregung, diesen Blogbeitrag über das Übersetzen zu schreiben, denn oft ist der Transfer von Broschüren, Zeitschriftenartikeln oder Werbung in eine andere Sprache mit deutlich mehr Aufwand verbunden, als der reinen Übersetzung.

Über Blumen und Fakten
Ein Beispiel aus meiner Zeit als Fachredakteur bei einer Wochenzeitschrift für Fertigung: Anlässlich großer europäischer Metallbearbeitungsmessen haben unsere Redaktion und der italienische Werkzeugmaschinen-Verband kooperiert, um deutschen Lesern Innovationen aus dem Mittelmeerland nahezubringen. Stolz versorgte uns der Verband mit Texten zu den neuesten Maschinen, sogar in Deutsch.

Das Wort Redaktion kommt von dem lateinischen „redigere“, was „in einen Zustand versetzen“ bedeutet. Und dies war bei den gelieferten Übersetzungen aus Italien erforderlich. Sie waren nicht schlecht; Grammatik, Ausdruck, Orthographie – alles war perfekt. Aber sie waren in einem „Italien Style“ geschrieben, sprudelten lebendig sämtliche Eigenschaften mit einem Schwall von Adjektiven hervor. Ich mag das. Italienisch (das ich leider nicht sprechen kann) klingt lebhaft, melodisch, positiv, aktiv. Die Sprache eignet sich hervorragend zum Singen, Diskutieren, sogar Schimpfen und Fluchen klingt auf Italienisch melodisch. Aber der häufige Gebrauch von Adjektiven ist für unseren Geschmack halt ein wenig „blumig“. Also haben meine Redaktionskollegen und ich die wortreichen Beschreibungen zu faktenorientierten Produktnachrichten umgewandelt.

Von Schwiizerdütsch und Wiener Schmäh
Wie unterschiedlich Sprache verwendet wird, lässt sich bereits innerhalb des deutschen Sprachraums erkennen. „Also, wenn Ihr eine Presseinfo schreibt, dann muss ich die immer ‚einschweizern‘“, berichtete Markus, als ich unseren Mann aus Zürich vor ein paar Jahren kennenlernte. Nun ja, das kann ja nicht so schlimm sein, ein paar scharfe s gegen ein Doppel-s zu tauschen, dachte ich. Doch „so einfach ist das nicht getan“, unterbrach er direkt meinen Gedanken – er konnte ihn wohl von meiner Stirn ablesen. „Unsere Medien ticken ganz anders. Da kann ich mit einem normalen deutschen Text nicht punkten“, begründet er. „Einschweizern“ erfuhr ich, ist daher eher eine Mischung aus Redigieren und Übersetzen. Ich habe Georg, unseren PR-Mann in Wien, gar nicht erst auf das Thema angesprochen. Ich bin mir sicher, der Österreicher an sich und der Wiener im Besonderen mögen unser deutsches Deutsch auch nicht so gern. Gut so. Ich genieße im Wiener Caféhaus ja auch, dass dort die Menschen anders sprechen als in Hannover oder Minga (München).

Amerikanisch ist anders. Ganz anders
Auffälliger sind die zu überwindenden Hindernisse bei Englisch, genauer: Amerikanisch. Ob es nun „realize“ oder „realise“ heißt, ist zunächst sekundär. In erster Linie geht es um den Content. Ein Beispiel: Liza aus Übersee arbeitete in einer Agentur den US-Büros bzw. den kanadischen Töchtern meines Kunden zu. Sie bot mir eine Success Story an, die ich gerne in Europa publizieren könnte, denn sie hatte eine Veröffentlichung nur in Amerika geplant. Meine spontane Freude über das Angebot war jedoch etwas getrübt, nachdem ich den Text gelesen hatte. Nun wusste ich zwar, was für eine Maschine der zufriedene Kunde gekauft hatte. Aber welche Vorteile sie gegenüber seiner vorigen Lösung bot, stand nicht im Artikel. Was sie gekostet hat oder welchen Warendurchsatz sie bewältigt, wusste ich auch noch nicht. Stattdessen drückten etliche Zitate aus, wie gut die Zusammenarbeit von Lieferant und Kunden geklappt hat und wie zufrieden der Kunden nun sei. An eine 1:1-Übersetzung für die deutsche Fachpresse war nicht zu denken – zu wenige Fakten für die informationshungrige Leserschaft. Also haben wir weitere Informationen zusammengetragen und den Text neu aufgesetzt. Umgekehrt ergibt sich ein ähnliches Problem: Hätte Liza einen Fachartikel von uns erhalten, wären zusätzliche Zitate und ein Redigieren ebenso erforderlich, um das Publikum in der „neuen Welt“ geeignet anzusprechen.

Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän
Auch unabhängig vom Inhalte lässt sich vieles nicht 1:1 übersetzen. Nicht nur, dass mancher Übersetzer beim Transfer aus dem Deutschen über unsere Liebe zu Komposita fluchen wird. (Letztens habe ich in einem Pub gehört, wie mitten in einem englischen Gespräch das Wort „Luftkissenfahrzeug“ fiel. Drei Briten machten sich anscheinend über deutsche Komposita lustig. Luftkissenfahrzeug – drei Wörter in einem! Ich konnte mir gerade noch verkneifen, sie mit dem Wort Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän bekanntzumachen.)

Umgekehrt ist’s aber auch nicht einfach, besonders wenn kurze Wörter auch noch abgekürzt werden. Haben Sie schon mal versucht, Kurzanzeigen aus dem Englischen ins Deutsche zu bringen? Als Übung bietet sich Reklame für Teeliebhaber an: Stünde auf einer Kreidetafel vor einem britischen Tearoom nur „T 4 2 2£“ (Tea for two for 2 £), würde dies wahrscheinlich kaum jemanden wundern. Nicht nur Liebhaber der Muppets („Muppets aus dem All“) kennen ähnliche Beispiele, etwa „R U there?“ – hier haben wir Glück: „Bist Du da?“ benötigt nur ein Zeichen mehr Platz.

Nicht jeder ist ein Thomas Mann
Oft sind es auch die Satzkonstruktionen, die eine wörtliche Übersetzung vereiteln. Letztens hatte ich einen englischen Text über IT zu übersetzen, in dem ein Bandwurmsatz enthalten war. Ich las die Passage. Sie war ähnlich flüssig formuliert wie die gelungenen Hypotaxen von Thomas Mann. Beim Versuch, den 50-Wörter-Satz ins Deutsche zu übertragen, bin ich jedoch gescheitert. Ich habe ihn kurzerhand in mehrere Sätze aufgebrochen. Nicht nur, weil Thomas Mann besser schreiben konnte als ich, sondern auch, weil kürzere Satzkonstruktionen leichter lesbar sind.

Beim Thema „Sätze aufbrechen“ kommt mir die Redewendung „Nun mach doch mal einen Punkt“ in den Sinn. Auf den Punkt möchte ich nun kommen und Ihnen ein paar Tipps zu Übersetzungen geben.

  • Knausern Sie nicht am Übersetzerhonorar. Nur wenn der Übersetzer den Text in Ruhe lesen, verstehen und mit eigenen Worten in der Zielsprache niederschreiben kann, wird eine gute Übersetzung daraus.
  • Lassen Sie Übersetzungen möglichst durch Muttersprachler anfertigen.
  • Gönnen Sie dem Übersetzer seinen Stil. Besser sein Stil als kein Stil – Letzteres ist oft das Ergebnis wörtlicher 1:1-Übersetzung.
  • Wenn Ihre PR-Texte international genutzt werden sollen, erstellen Sie ggf. mehrere Textfassungen (eher faktenorientiert, beschreibend, zitatfreudig…), um auf die diversen Lesegewohnheiten der Zielmärkte einzugehen.
  • Bei der Platzierung von Artikeln und PR-Texten kann es sinnvoll sein, Agenturprofis im Zielland mit einzubinden. Sie können nicht nur die Übersetzung auf ihre Eignung prüfen, sondern haben auch leichteren Zugang zu den jeweiligen Redaktionen.
  • Beachten Sie bei layouteten Unterlagen wie Broschüren, dass verschiedene Sprachen sehr unterschiedliche Längen haben können. Englisch ist oft kürzer als Deutsch (aber nicht immer), Russisch hingegen ist deutlich länger. Luftige Layouts erleichtern Ihnen, andere Sprachfassungen umzusetzen.