');

 

Donnerstag, 3. März 2016, 11:30 Uhr: Noch zehn Minuten bis zum Vortrag „Presse- und Medienarbeit – Auf die Story kommt es an“ auf dem Unternehmertag in Ulm. Die ersten Zuhörer nehmen bereits Platz. Ich packe den Laptop aus, um ihn an den Beamer anzuschließen, und drücke auf den Startknopf …

Es ist ja alles vorbereitet. Drei Tage zuvor habe ich passend zum Thema ein paar Zitate, Bilder und Grafiken zusammengestellt. Im Grunde will ich in den kommenden 30 Minuten nur eines sagen: In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geht es neben Kontaktaufbau und -pflege hauptsächlich darum, aus den vorliegenden Informationen, Fakten und Umständen eine interessante Geschichte zu erzählen. Warum? Um die Aufmerksamkeit, das wohlwollende Interesse und die überzeugte Zustimmung der Leserschaft bzw. des Publikums zu erwecken. Und das geht am besten, indem ich die Leser bzw. die Zuhörer unterrichte, erfreue und emotional bewege. Zack – und fertig!

Während meiner Sichtung der Marketing- und PR-Literatur der letzten 15 Jahre fiel mir auf, dass sich alle Vorträge, Aufsätze und Bücher größtenteils immer nur darum drehen, aus dem Storytelling ein Instrument zu machen, um ein Interesse zu wecken, das länger – pardon! – nachhaltiger im Gedächtnis der Adressaten bleibt. Aha, so also! – Na gut, zugegeben: Auf ehemals hippe Trends hochmütig zurückzublicken, fällt später immer leichter. Aber dass Märchen, Sagen, Mythen usw. leichter in Erinnerung bleiben als etwa der letzte Powerpoint-Vortrag aus dem Sales-Meeting oder der Firmen-Geschäftsbericht von 2009, ist nun wirklich keine bahnbrechende Erkenntnis des 21. Jahrhunderts. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – Das haben andere Menschen aus Ländern mit derzeit prekären Wirtschaftshaushalten schon vor 2.500 bzw. 2.000 Jahren bemerkt und daraus Erkenntnisse gewonnen, die sie in Lehrbüchern fassten. So trugen in Griechenland etwa Korax und dessen Schüler Gorgias die ersten rhetorischen Lektionen zusammen, die ja dann bekanntlich von Sokrates heftigst kritisiert wurden. Aristoteles bemühte sich Jahre später um eine mehr systematische Darstellung, und 500 Jahre später veröffentlichte Cicero sein Lehrbuch über den Redner. Und dann erst im Mittelalter, in der Renaissance und in der Neuzeit … –  Ach, ich schweife ab … Im Vortragsraum sind mittlerweile noch etwas mehr Zuhörer zusammengekommen. Die Betriebslampe meines Rechners leuchtet, er fährt hoch …

Unterrichten, erfreuen, bewegen, oder docere, delectare, movere also! Um das zu erreichen, habe ich mich auf 15 Powerpoint-Folien beschränkt und bullet-list-Aufzählungen ebenso vermieden wie ellenlange Textkolonnen. Stattdessen will ich nur Bilder, Grafiken und Fotos zeigen: Arabische Geschichtenerzähler, Tausend und Eine Nacht, Homer, Odysseus, Aristoteles, Cicero, Schneewittchen und die sieben Zwerge, Rapunzel usw.

So, das Mikro funktioniert auch, Sprechprobe: „Eins, zwei, drei.“ Ein wenig aufgeregt bin ich ja nun doch. Wird es mir gelingen, den Zuhörern hier auf dem Ulmer Unternehmertag vorzuführen, dass es bei der „Story“ nicht darum geht, sich mehr oder weniger fantastische Geschichten aus den Rippen zu leiern, um sie dann um das Produkt oder die Dienstleistung oder das Unternehmen zu kleben? Sondern darum, die Geschichte gewissermaßen aus den trockenen Fakten rund um Unternehmen, Services und Produkte heraus zu entwickeln? Und sich dabei erzählerischer Stilmomente zu bedienen, die das Vorstellungsvermögen der Leser reizt? Ich bin gespannt, ob ich es schaffe.So, jetzt nur noch die Präsentation auf dem Rechner aufrufen und los gehts! – Während die Betriebsleuchte meines Laptops munter blinkt, bleibt der Bildschirm meines Laptops aber immer noch dunkel, sehr sehr dunkel. Nichts ist zu erkennen. Ich starte ihn neu – nichts geht! Im Publikum sitzt mein Chef sehr entspannt und schenkt mir ein „Es-geht-doch-nichts-über-eine-gute-Vorbereitung-Lächeln. Während ich versuche, wohlwollenheischend ins Publikum zu blicken, konzentriere ich mich derweil auf zwerchfellberuhigende Bauchatmung. Dabei ziehen all die Bilder und Fotos vor mir auf, die ich hier zeigen wollte und … halt! Auf denen sind weder Bildschirme noch Folienvorträge zu sehen. Sollten die sich damals einfach nur auf die Kraft des Wortes verlassen haben? Sei’s drum – Dann versuche ich das jetzt auch! – „Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. In den nächsten Minuten möchte ich Ihnen zeigen, …

Vor dunklen Bildschirmen empfehlen sich beruhigende Bauchatem- ... und lockernde Bewegungsübungen. (Fotos: Press’n’Relations)

Vor dunklen Bildschirmen empfehlen sich beruhigende Bauchatem- … und lockernde Bewegungsübungen. (Fotos: Press’n’Relations)