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Wie komme ich in die Medien und wie erreiche ich meine Zielgruppen über diese Medien? Diese Frage stellen sich Politiker, Unternehmen und Organisationen, seit es den Journalismus gibt. Der „Königsweg“ ist sicherlich eine seriöse und kontinuierliche Pressearbeit: Sachliche Argumente, gut aufbereitete Themen, glaubwürdige Statements. So weit, so bekannt.

Doch betrachten wir die „Empfängerseite“. Wie reagieren Medien auf die unverbindlichen, redaktionellen Angebote, die ihnen PR-Agenturen und Unternehmen unterbreiten? Und ich meine dieses Mal nicht den Redakteur, der Pressemitteilungen nach Aktualität und Relevanz prüft und dann berichtet – oder auch nicht. Ich meine den Anzeigenleiter eines Verlages. Denn diese Figur gewinnt im großen, alten Spiel um mediale Aufmerksamkeit immer mehr Macht und Einfluss. Eine verheerende Entwicklung, die ich anhand einiger Ausführungen und Beispiele aus der PR-Praxis skizzieren möchte.

Langsam und von der Öffentlichkeit fast unbemerkt vollzieht sich in vielen deutschsprachigen Fachverlagen seit Jahren ein Wandel, den man – überspitzt formuliert – mit dem „Ausbluten des Qualitätsjournalismus“ beschreiben kann. Dass Verlage nicht allein von Abonnenten leben können, und auf die Anzeigen-Budgets der Unternehmen angewiesen sind, weiß jeder, der sich beruflich mit Kommunikation beschäftigt. Deshalb ist es auch legitim, dass Verlage regelmäßig bei Unternehmen nach Anzeigen fragen. Solche Anrufe kommen natürlich bevorzugt dann, wenn ein Unternehmen eine Pressemitteilung verschickt hat. Denn die Firma signalisiert: Ich kommuniziere mit dem Markt und ich benötige die Fachmagazine (und natürlich ihre Webseiten) als Plattform dafür.

Doch mit welcher Penetranz, Aggressivität und mit welch perfiden Mitteln manche Verlage mittlerweile um diese Budgets kämpfen, verschlägt mir als Kommunikations-Profi die Sprache. „Du bezahlst und wir sorgen dafür, dass Du redaktionell erwähnt wirst“ – auf diese simple Formel – Stichwort Koppelgeschäfte – lässt sich die erpresserische Art mancher Verlage reduzieren. Dass diese Verquickung von Werbung und Journalismus gemäß deutschem Presserecht verboten ist und strafrechtliche Konsequenzen haben kann, scheint die „schwarzen Schafe“ aus der Verlagsbranche nicht zu interessieren.

Hier ein paar anschauliche Beispiele aus meinem persönlichen Arbeitsalltag:

  • Gerade kleinere Verlage mit dünner Personal- und Kapitaldecke fragen oft nach einem „Druckkostenzuschuss“ für das Abdrucken z.B. einer halben Seite mit oder ohne Bild. Hier kommen je nach Auflage und Bekanntheit des Mediums gerne mal ein paar hundert Euro zusammen. Wofür? Einfach dafür, dass die Redaktion ihren Job macht und relevante Unternehmens-News ins Blatt hebt. Dieses Modell ist noch das harmloseste Beispiel der Subventionierung darbender Verlage durch die PR-Agenturen und ihre Industriekunden.
  • Den umgekehrten Fall gibt es auch: Der Verlag hat die Anzeige und damit das Mediabudget bereits sicher und baut dem Unternehmen „eine goldene Brücke“ in den redaktionellen Teil des Magazins. In so einem Fall meldete sich ein sogenannter „Journalist“ mit folgenden Worten bei mir: „Ihr Kunde XY hat bei uns eine ganzseitige Anzeige geschaltet. Können Sie mir ergänzend einen Artikel mit 5.000 Zeichen liefern? Deadline in zwei Wochen.“ Ich erwiderte: „Zu welchem Thema soll ich Ihnen etwas liefern?“ Antwort des Journalisten: „Das weiß ich doch nicht, es ist mir auch völlig egal, Hauptsache sie liefern den Textumfang pünktlich“.
  • Der gravierendste Fall ereignete sich vor wenigen Wochen. Wir erhielten einen Anruf vom Anzeigenleiter eines führenden Fachverlages aus der Chemiebranche. „Bitte schicken Sie die Pressemitteilungen ab sofort nicht mehr direkt an unsere Redakteure, sondern an meine persönliche Mail-Adresse – ich verteile sie dann hausintern.“ Ja, er verteilt sie wahrscheinlich nur dann, wenn vorher Media-Gelder an den Verlag überwiesen werden. Die Anzeigenabteilung übernimmt den Job des Newsdesk-Managers. Damit stellt sich für mich die Frage: Kann ich jetzt die Redaktion kaufen?

Zugegeben, das ist sarkastisch. Doch ich frage mich ernsthaft, wohin diese Entwicklung noch führt. Meiner Meinung nach hat der Qualitätsjournalismus nur eine Chance, wenn die Redaktionen gestärkt werden, nicht die Anzeigen- und Controlling-Abteilungen der Verlage. Nur dann haben guter Journalismus und gute Pressearbeit eine Zukunft.

Soweit meine Sicht der Dinge zu diesem Thema. In den kommenden Wochen werden meine Kollegen Rebecca Hasert und Markus Häfliger hier im Blog von ihren Erfahrungen berichten. Und natürlich interessiert uns auch Ihre Meinung brennend: Zögern Sie nicht, unsere Kommentarfunktion zu nutzen.