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Nachdem ich mich im Beitrag zum 30. Geburtstag der E-Mail so richtig in das Thema eingegroovt habe, möchte ich dem aufmerksamen Blog-Leser das prägnanteste Erlebnis meiner inzwischen 15-jährigen Beziehung mit dieser Art der Kommunikation nicht vorenthalten. Dabei ist mir dieses gar nicht am eigenen Leibe widerfahren.

Aber fangen wir mal an: Wir befinden uns im Jahr 3 nach der Jahrtausendwende. Tatort ist das Büro der PR-Abteilung eines deutschen Unternehmens, in dem ich bereits seit einigen Wochen mein Dasein als Praktikantin genieße (und das, obwohl es damals noch keinen Mindestlohn gab). Der Tag startete wie immer. Nichts, aber rein gar nichts deutete auf die Katastrophe hin, die hinter dem Telefonhörer am Nachbarschreibtisch lauerte. Und dann: Es klingelte … Hm, eigentlich alles ganz normal – dachte ich.

Ein Eindruck, den ich schnell revidieren musste, nachdem das Gesicht meiner Kollegin, die den Anruf entgegen nahm, innerhalb von Millisekunden zwischen den Farben reifer Tomaten, unreifer Bananen und sagen wir mal Eisbärenfell hin und her wechselte. Nach einer gefühlten Ewigkeit mit ungezählten „Hms“ und „Ohs“ legte sie desolat auf. Stille. Irgendetwas hatte den Willen meiner sonst so souveränen Kollegin, die nie um ein Wort verlegen war, gebrochen.

Alle Augen auf sie gerichtet, fing sie langsam an, sich zu artikulieren, um die Frage zu beantworten, die allen Anwesenden mehr als offensichtlich auf der Stirn geschrieben stand. „Wer, um Himmels willen, war denn da dran?“ „Die ‚Lady’ aus der Redaktion XY.“ Große Fragezeichen ploppten auf.

Was war geschehen? Rückspultaste an. Etwa eine Woche zuvor war bei selbiger Kollegin die Anfrage einer Redakteurin via E-Mail aufgeschlagen (hierbei sei erwähnt, dass es sich dabei um eine Vertreterin der für das Unternehmen wohl wichtigsten Fachredaktion handelte). Ich erinnerte mich gut, schließlich hatte diese E-Mail lebhafte Diskussionen und Witzeleien im Team der Unternehmenskommunikation ausgelöst. Denn die Frage betraf einen Sachverhalt, der wohl schon mehrmals zuvor zwischen Senderin und Empfängerin angesprochen wurde und eigentlich als geklärt galt. Nichtsdestotrotz ist man als PRler ja stets bemüht, die Journalisten mit den gewünschten Antworten zu versorgen. Und so leitete meine Tischnachbarin, die zu diesem Zeitpunkt bereits auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung zurückblickte, die Ausgangsmail an den zuständigen Produktmanager im Haus weiter – mit der einleitenden Frage, wie man der „Lady“ denn endlich begreifbar machen könne, wie es sich bei dem angesprochenen Thema genau verhält. Zudem gab es den Hinweis, dass man dies ja schon tausendmal – scheinbar vergeblich – versucht hätte. Damit nahm die klassische Prozessbearbeitung ihren Lauf. Es wurde sich in kurzem, gemailten Hin und Her noch schnell darauf verständigt, wie man die Frage am besten und so vollumfänglich wie möglich beantworten könnte, damit es auch ein Kleinkind versteht, um diesen Sack ein für alle Mal zumachen zu können. Wenige Tage später ging eine ausführliche Antwort-Mail auf Reisen. Allerdings wurde dabei übersehen, dass diese auch noch das schriftliche Protokoll des Austauschs innerhalb der eigenen Reihen beinhaltete. Merke: Eine E-Mail vergisst nie!

Und schon war sie am Telefon, die „Lady“, die sich natürlich auch gleich so meldete. Ich würde meinen linken Fuß darauf verwetten, dass in diesem Moment jedem PR-Schaffenden die Kinnlade aus dem Gesicht gerutscht wäre. Selbst als Praktikantin und Kommunikationsjungspund war mir seinerzeit klar wie Kloßbrühe, dass solche Situationen nicht unbedingt zum oft als Ideal zitierten, entspannten Verhältnis zwischen Unternehmenssprechern und Journalisten beitragen. Mit einem „Uppsi“ ist es da wohl nicht getan. An jenem Tag konnte man viel eher vom kommunikativen Super-GAU sprechen, der kollektive Läuterung der allerfeinsten Sorte zur Folge hatte und die Gemüter noch etliche Zeit beschäftigte.

Diesem traumatisch einschneidenden Erlebnis ist es geschuldet, dass ich noch heute in zwanghaft anmutender Weise jede E-Mail zweimal checke, bevor sie meinen Postausgang verlässt. Nicht, weil ich Grund zur Annahme habe, dass mir ähnliches passieren könnte. Sondern einfach aus Prinzip.

Und wen das Ende der Geschichte interessiert: Die Wogen zwischen den beiden beteiligten „Mädels“ waren nach einem opulenten Abendmahl unter vier Augen und dem bei diesem Anlass persönlich überreichten – wohl noch opulenteren –Entschuldigungsblumenstrauß schnell wieder geglättet. Denn am Ende des Tages sind Journalisten wie PRler ja auch nur Menschen.