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2015 ist es genau 125 Jahre her, dass der Hauptturm des Ulmer Münsters fertig gestellt wurde. Und da wir Ulmer nicht nur mächtig stolz auf den höchsten Kirchturm der Welt sind, sondern auch gerne feiern, befinden wir uns nun mitten im Jubiläumsjahr. Das Programm kann sich sehen lassen: Zahlreiche Ausstellungen, Veranstaltungen, Führungen, Fotoaktionen und Kunstprojekte beschäftigen sich mit dem Ulmer Wahrzeichen. Dabei wird natürlich nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt.

So schwebt dann in der Turmhalle schon mal eine Sonnensimulation oder wird ein „Münsterscanning“ installiert, bei dem LED-Leuchten die Architektur des Turmes von innen nach außen abtasten. Zu sehen ist das Schauspiel jeden Abend nach Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht. Tagsüber – insbesondere bei Föhnwetterlage – lohnt es sich, die 768 Stufen nach oben zu erklimmen, der Ausblick ist wirklich fantastisch. Dass wir Ulmer mit geschwellter Brust von unserem Münster sprechen, liegt jedoch nicht nur an der stattlichen Höhe. Um dies wirklich zu verstehen, müssen wir eine kleine Reise in die Vergangenheit machen…

Die Bürgerkirche
Im 14. Jahrhundert hatte Ulm eine eigentlich recht neue Pfarrkirche, doch die lag außerhalb der Stadtmauer (heute: Alter Friedhof). In den recht kriegerischen Zeiten war der Kirchgang also nicht ganz ohne Risiko. Zudem gehörte diese dem Kloster Reichenau, die Spenden der Ulmer nahm somit das Kloster ein. Ergo dachten sich die sparsamen Schwaben: Ein eigener Bau innerhalb der Stadtmauern muss her. Am 30. Juni 1377 war es dann soweit: In der Baugrube des Ulmer Münsters versammelten sich Vertreter der Stadt, der Patrizier und des Volks, um auf dem Fundamentstein je 100 Goldstücke abzulegen. Die Besitzansprüche waren somit geklärt. Die Pfarrkirche außerhalb wurde kurzerhand abgebaut, denn um das Baumaterial „wärs doch schad gwesa“. Teile dieser alten Kirche können übrigens heute noch bewundert werden, wie beispielsweise das sogenannte Brautportal (nach Norden).

Quelle: www.ulm125.de, Copyright: Stadt Ulm

Quelle: www.ulm125.de, Copyright: Stadt Ulm

Für den ehrgeizigen Neubau hätten die so in die Stadt geschafften Steine jedoch niemals gereicht. Denn geplant wurde ein Kirchenschiff, in dem rund 20.000 Menschen Platz haben sollten. Ulm hatte zu diesem Zeitpunkt zwar weniger als 10.000 Einwohner, aber die bewiesen echten Weitblick.

Die Baumeister
Der erste Baumeister Heinrich Parler plante zunächst eine schlichte Kirche mit drei gleich großen Türmen. Doch schon Ulrich von Ensingen erstellte den Plan für einen kolossalen Hauptturm mit 151 Metern Höhe und baute bis 1417 am Ulmer Münster. Matthias Böblinger übernahm 1480 und setzte die Arbeiten am Hauptturm fort. Doch das Fundament gab nach und es wäre fast zu einem Einsturz gekommen. Schließlich rettete Burkhard Engelberg ab 1493 das Bauwerk, in dem er die Seitenschiffe teilte und so verhinderte, dass Spannungen zu weiteren Zerstörungen führen konnten. 1543, nach 166 Jahren, wurden die Baumaßnahmen dann aber zunächst eingestellt. Ursache hierfür waren zum einen innenpolitische Unruhen sowie die Reformation und zum anderen Geldknappheit.

Quelle: www.ulm125.de, Copyright: Stadt Ulm

Quelle: www.ulm125.de, Copyright: Stadt Ulm

Erst im Jahr 1890 wurde die Kreuzblume auf der Spitze des Münsterturms unter dem Baumeister August von Beyer aufgesetzt. Von Beyer hatte den Turm einfach um zehn Meter gestreckt und so die endgültige Höhe von 161,53 Metern erreicht. Warum er das getan hat? Man munkelt ja, dass die Fertigstellung des 157 Meter hohen Kölner Doms anno 1880 der Grund gewesen sei. Doch wir Ulmer weisen dies stets energisch von uns. In Ulm gaben sicherlich rein statische Aspekte den Ausschlag. 😉 Trotzdem möchte ich nur ganz nebenbei betonen: Unserer ist 4,53 Meter höher, in Worten: vier Meter und dreiundfünfzig Zentimeter!

Wir haben also 513 Jahre am Münster gebaut und das beste: die ganze Pracht auch selbst bezahlt. Weder „kirchliche noch weltliche Fürsten“ spielten bei der Finanzierung eine Rolle (siehe Legung Fundamentstein). Selbstbewusst wie wir Ulmer nun mal sind, haben wir das Ganze eben selbst in die Hand genommen – aber was will man auch anderes erwarten von diesem schwäbischen Völkle, das von seinem Bürgermeister seit über 600 Jahren einen jährlichen Rechenschaftsbericht mit folgendem Schwur erwartet? Mehr dazu in meinem nächsten Bericht aus Ulm.